2006-04-14 16:21:51

Karfreitag: "Sie werden schauen auf den, den sie durchbohrten."


Vor zehn Jahren, 1996, hat der damalige Kardinal Joseph Ratzinger für das deutsche Programm von Radio Vatikan die Karwoche meditiert. In seiner Betrachtung zum Karfreitag sagte er:


"'Sie werden auf den schauen, den sie durchbohrt haben' - mit diesen Worten beschließt der Evangelist Johannes seine Darstellung der Passion des Herrn; mit diesen Worten eröffnet er die Christusvision im letzten Buch des Neuen Testaments, das wir 'Geheime Offenbarung' zu benennen pflegen. Zwischen der zweimaligen Anführung dieses prophetischen Wortes aus dem Alten Bund liegt die ganze Geschichte ausgespannt: zwischen Kreuzigung und Wiederkunft des Herrn; in diesem Wort ist ebenso die Rede von der Erniedrigung dessen, der wie ein Verbrecher am Galgen starb, wie von der Macht dessen, der kommen wird, die Welt zu richten ä auch unser Richter. 'Sie werden schauen auf den, den sie durchbohrten' - das ganze Johannesevangelium ist im Grunde nichts anderes als der Vollzug dieses Wortes, nichts anderes als das Bemühen, unsere Augen und unser Herz zu sammeln in den Blick auf Ihn hinein. Und die ganze Liturgie der Kirche ist nichts anderes als Schauen auf den Durchbohrten, dessen verhülltes Antlitz der Priester au dem Höhepunkt des Kirchenjahres, in der gottesdienstlichen Feier des Karfreitags, den Augen der Kirche und der Welt enthüllt: 'Seht, das Holz des Kreuzes, an dem das Heil der Welt gehangen!' 'Sie werden schauen auf den, den sie durchbohrten.'
Herr, gib uns, in dieser Stunde auf dich zu schauen, in der Stunde deiner Verborgenheit und Erniedrigung durch eine Welt, die das Kreuz als ärgerlichen Unfalle übergehen will, die sich deinem Blick entzieht, ihn als unnütze Zeitvergeudung ansieht und nicht weiß, dass sie eben darin deiner Stunde entgegengehet, in der sich niemand deinem Blicke wird entziehen können."

(rv 14.04.06 bp)







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