2006-04-10 13:40:55

Frankreich: Lustiger, Jugend ist Opfer der Gesellschaftskrise


RealAudioMP3 Elf Wochen nach Beginn der Proteste gegen den Abbau des Kündigungsschutzes hat die französische Regierung den Studenten und Gewerkschaften nachgegeben und die bereits beschlossene Lockerung des Kündigungsschutzes für junge Arbeitnehmer zurückgenommen. Die Regelung werde "ersetzt" durch Programme zur Förderung Jugendlicher "mit Problemen" auf dem Arbeitsmarkt, gab Präsident Jacques Chirac in Paris bekannt. Wir haben darüber mit dem langjährigen Pariser Erzbischof Kardinal Jean-Marie Lustiger gesprochen. Er hält den Streit um die Arbeitsverträge nur für die Spitze des Eisbergs. Frankreich stecke in einer fundamentalen Krise:


"Die Jugend ist zum ersten Opfer geworden. Sie nutzt diese nutzt diese Revolten immer wieder und zeigt so, dass sie ein Erbe antreten muss, das sie nicht verdient hat. Ich denke, dass die Krise dieser Tage nicht auf schnelle Art und Weise gelöst werden kann. Die kurzfristigen Rezepte einer Politik, die nicht über den Tag hinaus denkt, können ein derartiges Drama nicht bewältigen. Es braucht Jahrzehnte, um die Moral des Volkes wieder herzustellen."


Die französische Gesellschaft sei gespalten, so Lustiger :


"Meine persönliche Meinung: Wir müssen in Frankreich den Preis bezahlen, den, so scheint es mir alle entwickelten Länder zahlen müssen. Ich habe schon als ich vor 25 Jahren zum Erzbischof von Paris ernannt worden bin gesagt, das Drama unserer Zeit ist, dass die Jugend vor den Toren unserer Gesellschaft kampiert. Im Grunde hat sich im Laufe der vergangenen 30 oder 40 Jahre die Gesellschaft grundlegend verändert, mit dem Effekt, dass die Jugend sich abspaltete. Die natürliche Weitergabe der Kultur, der Werte, des Umgangs miteinander, des Verantwortungssinns funktioniert sehr schlecht. Erziehung erfüllt in Frankreich nicht mehr die Aufgabe der Wertevermittlung und der Kunst zu Leben."


Die Ursachen für die Probleme der französischen Innenpolitik oder die Unruhen in der Gesellschaft lägen tiefer:


"Ich denke, dass Frankreich, diese Krise auf sehr extreme Weise lebt. Außerdem ist diese Abspaltung der Jugend sicher wichtiger als alles andere. Zum Beispiel: Die Zerstörung der familiären Gemeinschaft. Die Familie hat nicht mehr den gleichen Stellenwert wie vor 40 Jahren. Familie, Monogamie, Treue werden von der Mehrheit als rückständig empfunden."


(rv 10.04.06 bp)








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