Keiner kannte den
vor einem Jahr verstorbenen Johannes Paul II. besser als sein langjähriger Privatsekretär
Stansilaw Dzwiwisz, der mittlerweile zum Erzbischof von Krakau und Kardinal ernannt
worden ist. In einem Interview mit Radio Vatikan - es ist eines von sehr, sehr wenigen
Interviews, die Dziwisz überhaupt im Lauf von Jahrzehnten gegeben hat - äußert er
sich über den verstorbenen Papst.
Eminenz, vor einem Jahr ist der Heilige
Vater Johannes Paul II gestorben. Sie waren ihm am Nächsten, ja sogar der unmittelbare
Zeuge seines pastoralen Dienstes, zunächst in Krakau dann am Stuhl Petri in Rom. Wie
erleben Sie den ersten Jahrestag seines Todes?
Die letzte Phase des Lebens
von Johannes Paul II war gekennzeichnet von großem Leid. Und sein seliger Tod stellt
für mich weiterhin ein tiefe menschliche und spirituelle Erfahrung dar. Ich war fast
40 Jahre an der Seite des Kardinal Karol Wojtyla und dann an der Seite von Papst Johannes
Paul II. Abgesehen vom Geschenk des Glaubens ist das für mich die größte Gnade und
das größte Privileg, das mir in meinem Leben passieren konnte. Diese ganze Erfahrung
trage ich in mir und sie prägt mich weiterhin – wie so viele Menschen auf dieser Welt.
Wie
haben Sie die Todesstunde persönlich erlebt?
Das Hinscheiden von Johannes Paul
II. zum Haus des Vaters habe ich im Geist des Glaubens erlebt, denn so hat auch er
seinen Tod gelebt – als einen Übergang vom Leben zum LEBEN. Im übrigen hat nur im
Licht des Glaubens unser Leben, unser Sterben einen Sinn – insofern das Leben nicht
seiner Auslöschung entgegengeht, sondern seiner Erfüllung in Gott, der die Liebe ist.
Was
hat Ihrer Meinung nach der Tod von Johannes Paul II in den Menschen bewuirkt? Jetzt,
nach einem Jahr, wird mir immer mehr klar, dass der Tod von Johannes Paul II nicht
das Ende war, sondern der Höhepunkt seines langen und treuen Dienstes an der Kirche.
Dieser Tod hat in den Menschen so viele Energien zum Guten befreit, soviel Mitgefühl,
soviel Gemeinschaftssinn, der einen als Teil der großen Gemeinschaft des Volkes Gottes
erleben lässt. Und letztlich hat sein Tod viele Menschen zu Gott, zu Jesus Christus
geführt – bis heute! Johannes Paul II. ist wie das Weizenkorn, das gestorben ist,
um das Leben zu schenken, das neue Leben. Deswegen kann ich in aller Ruhe sagen –
wenn auch nicht ohne innere Bewegung – dass das Leiden und der Tod des Diener Gottes
sich als ein großes Geschenk für seine Kirche erwiesen hat. Gott hat ihn aus unserer
Mitte gerissen, aber zugleich hat er ihn uns neu und anders wieder geschenkt. Wir
sehen es an den Früchten des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe.