Polen spricht sich
für eine Verankerung der "christlichen Wurzeln" Europas in der Präambel einer EU-Verfassung
aus, weil die Menschen von der geschichtlichen Erfahrung antireligiöser Diktaturen
geprägt sind. Das betonte die Sonderbeauftragte für polnisch-deutsche Beziehungen
im Warschauer
Außenministerium, Irena Lipowicz, bei einer Podiumsdiskussion
vor wenigen Tagen in Wien. Wörtlich sagte die frühere polnische Botschafterin in Wien:
"Die letzten, die uns bisher von Religion 'befreien' wollten - und ich erinnere mich
noch an meine Kindheit -, waren die Kommunisten. Und sie hatten raffinierte Methoden".
Irena Lipowicz sprach im Rahmen des "Green Summit", einer Großveranstaltung
der Grünen zur österreichischen EU-Ratspräsidentschaft. Die Podiumsdiskussion im Schönbrunner
Schlosstheater hatte das Thema "Neue Horizonte für Europa". Auf dem Hintergrund
der historischen Erfahrung träfen die vorwiegend aus den westlichen Ländern Europas
kommenden Rufe nach einer Überwindung der Religion in Polen auf weitgehendes Unverständnis,
sagte Irena Lipowicz, "bei Gläubigen genauso wie bei Nichtglaubenden". Das Nahverhältnis
auch der Nichtglaubenden zur Kirche sei der geschichtlichen Erfahrung entsprungen,
dass die Kirche zu Zeiten des Kommunismus "immer auf der Seite der Schwachen stand"
und sich für die Menschen eingesetzt habe. So sei die Religion für Gläubige wie Nichtglaubende
"ein Teil unserer Freiheit", so Irena Lipowicz. Daher habe es in den letzten Jahrzehnten
in Polen auch "nie eine Phase des Antiklerikalismus wie in vielen Ländern Westeuropas"
gegeben, unterstrich die polnische Diplomatin. Es sei das Anliegen Polens, den in
den westlichen Ländern verbreiteten Gegensatz zwischen Religion und Freiheit aufzuheben
und ein "gemeinsames Europa zu bauen", sagte Irena Lipowicz: "Das ist für uns kein
Gegensatz". (kap 13.03.06 sk)