Vergangene Woche hat sie getagt, die Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz.
Die deutschen Oberhirten debattierten über die Hartz-IV-Reform, Katholikentage und
das Zentralkomitee der Katholiken, aber auch über die Papst-Begeisterung in Deutschland
und ein gewachsenes Interesse an allem was mit Übersinnlichem und Spiritualität zu
tun hat. Birgit Pottler hat Kardinal Karl Lehmann gefragt, ob er denn angesichts dessen
gleich von einer „religiösen Blüte Deutschlands“ sprechen würde?
„Das würde
ich nicht tun, es sei denn, dass man den Begriff des Religiösen so weit und ausufernd
gebraucht, dass er im Grunde auch nichts mehr sagt, sondern auch Gegengestalten zu
dem, was Religion beinhaltet einschließt, also etwa auch satanische Kulte, Aberglauben
und manche seltsamen Praktiken. Aber es gibt, glaube ich, Signale für ein neues Suchen
von Menschen. Darüber gibt es natürlich auch eine notwendige Auseinandersetzung: Die
einen finden, dass das ein Rückfall sei in Formen von Religiosität, die den Menschen
eher unfrei machten. Dann gibt es doch auch ernstzunehmende Sozialforscher, die meinen,
hinter manchen etwas entstellten Zerrformen gebe es doch auch eine echte Sinnsuche,
und Kirche müsse ein Stück weit Hebammendienste leisten und diese Suche sozusagen
in ihren originären und positiven Motiven aufsuchen. Es sei zu billig, nur die Zerrformen
zu kritisieren.“
Muss Kirche dabei auch stärker ihr eigenes christliches
und katholisches Profil wieder stärker herausarbeiten? Oder geht es insgesamt darum,
diese religiösen Tendenzen und Sinnfragen aufzugreifen?
„Ich bin fest davon
überzeugt, dass beides zusammengehört. Religion ist immer Ausdruck einer Sinnsuche
des Menschen. Der Mensch wird nicht ruhig, wenn er nur um sich selbst kreist. Ich
denke, eine Lehre aus den letzten ein, zwei Jahrzehnten geht sicher in folgende Richtung:
Wir hatten nun eine Phase, in der die Begegnung mit anderen christlichen Gemeinschaften
und mit nichtchristlichen Religionen, die Übung von Toleranz und dergleichen wichtig
war und wichtig bleibt. Das darf aber nicht auf Kosten des eigenen Profils gehen,
sonst verliert man auch zuviel an dem, was man der Welt wirklich geben kann. Insofern
bedarf es, und das ist in den vergangenen Jahren ja auch deutlich geworden, eines
neuen Elans für Mission und für missionarisches Zeugnis. Man muss nur schauen, dass
diese ‚Profilierung’ nicht den echten Errungenschaften von Ökumene schadet, denn das
gemeinsame Zeugnis der Christen ist in unserer Gesellschaft auch von Wert.“
Das
Interesse an der katholischen Kirche scheint zu wachsen, die Eintrittszahlen und auch
die Wiedereintritte sind im vergangenen Jahr gestiegen. Gleichzeitig ist innerhalb
des Kirchenvolks nach wie vor eine gewisse Unruhe zu spüren. Zwar kann die auch gesund
sein, aber wie sehen Sie die Rolle der Laien in der deutschen Kirche und das Miteinander
von Amtsträgern und engagierten Laien?
„Ich bin froh, dass wir eine über
150-jährige Geschichte haben, wie die Laien aufgewacht sind und ihre Mitverantwortung
in Sachen des Glaubens, der Gestaltung der Gesellschaft wahrgenommen haben. Es ist
phantastisch, was vom 19. Jahrhundert an bis heute geschieht. Auch bei allem Jammern
gibt es heute auch in kleinen Gemeinden viele Ehrenamtliche, die mit ziehen. Man muss
das nur sehen, man muss das anerkennen. Und man muss Kontakt halten, damit da auch
eine echte Gemeinsamkeit bleibt. Ich betrachte das als ein Proprium in unserem Land.“
Das
heißt die Bischofskonferenz steht als Ganze hinter dem Zentralkomitee der deutschen
Katholiken?
„Da gab es natürlich immer eine größere Nähe oder Ferne, auch
zu einzelnen Personen. Es genügt auch nicht, nur auf einen einzelnen Dissens oder
Konflikt zu schauen. Man muss sehen, was das Zentralkomitee etwa seit Bestehen der
Bundesrepublik immer wieder etwa an Stellungnahmen in die Politik hinein gesagt und
auch bewirkt hat. Aber es gab zum Beispiel auch in den Fragen der Menschenwürde, der
Abtreibung und dergleichen nie einen Dissens zwischen Zentralkomitee und Deutscher
Bischofskonferenz. In anderen Ländern ist das anders. Das wird viel zu wenig gewürdigt.
Ich war selbst 17 Jahre lang Mitglied des Zentralkomitees bevor ich Bischof wurde
und weiß, dass dort auch Gemeinsamkeit erkämpft wird und dann auch wieder in die Diözesen
zurückfließt. Für mich ist das eher eine Erfolgsgeschichte.“