Islam-Experte: Internationale Gemeinschaft tut zu wenig
Die Gewalt in den islamischen Ländern dauert an, doch die Mohammed-Karikaturen seien
für all die Proteste nur ein Vorwand, sagt Pader Justo Lacunza Balda, Rektor des Päpstlichen
Instituts für Islamwissenschaften. Die Gründe sieht er anderswo:
"Zuallererst
in der sozialen Ungleichheit. In dem Elend , in dem tausende und abertausende Menschen
in Nigeria und Pakistan hausen. Andererseits sind die Auseinandersetzungen keine Eintagsfliegen.
Sie haben sich schon in der Vergangenheit ereignet und es gibt einen Punkt, speziell
in Nigeria, der sehr beunruhigend ist: Das Land geht dem Ende der zweiten Amtszeit
des Präsidenten entgegen. Es werden Wahlen stattfinden und einige Staaten im Norden
Nigerias haben sich schon sehr deutlich für einen islamischen Präsidenten ausgesprochen."
Religionsfreiheit,
die freie Religionsausübung, wie sie in den Ländern der Europäischen Union festgeschrieben
ist, müsse grundlegendes Prinzip des Zusammenlebens werden, betont Lacunza zum Beispiel
mit Blick auf die Türkei.
"Ich denke, eines der größten Probleme derzeit
ist der Status von religiösen Minderheiten in einem Land wie etwa der Türkei. Davon
sind die Beziehungen unter den Gläubigen, unter den Angehörigen der verschiedenen
Religionen, betroffen. Es reicht nicht, dass ein Staat sich für laizistisch erklärt,
für säkular. Die Minderheiten und die Christen müssen in der Praxis die Möglichkeit
und die Freiheit haben, ihren eigenen Glauben zu leben und ihren Kult zu praktizieren.
Nicht mehr und nicht weniger."
Kritisch sieht der Islamexperte die
zurückhaltenden Äußerungen der internationalen Gemeinschaft. Die Pflicht, die Menschenrechte
zu garantieren, liege ja bei den einzelnen Staaten, aber das mache ihm Sorgen, so
Lacunza:
"Es beunruhigt mich sehr, dass große Organisationen wie die
UNO, die Arabische Liga und andere sich eher untentschieden zeigen, apathisch sind,
manchmal sogar Groll gegen die Religionen hegen. In Fällen wie dem Mord an Don Andrea
oder weitreren Christen, der Zerstörungen christlicher Kirchen, sei es im Irak, in
Indonesien oder in Pakistan, kommt es mir nicht so vor, als würden die Institutionen
ihre Stimme erheben, nicht nur um zu verurteilen, sondern um das Recht einer jeden
Minderheit und eines jeden Menschen zu betonen, sich Geltung zu verschaffen und seinen
Glauben und seine Religion frei auszuüben." (rv 21.02.06 bp)