2006-02-16 09:49:12

500 Jahre Vatikan-Museen - ein Hörstück


RealAudioMP3 Wer von den vatikanischen Museen spricht, spricht meist spontan in Superlativen. Sie gehören zu den ältesten Museen der Welt, weiters zu den renommiertesten, den schönsten, meistbesuchten. Allerdings, sagt ein Vatikan-Sprecher:

"Für die Kirche sind die Vatikanischen Museen nicht bloß irgendeine herausragende Kunstsammlung. Sie zeigen nichts anderes als die Tatsache, dass die von Menschen geschaffene Schönheit die von Gott geschaffene Schönheit widerspiegelt. Das heißt, diese Kunstwerke bringen uns Gott näher."

Begonnen hat die Geschichte der vatikanischen Museen vor genau 500 Jahren – mit dem Aufsehen erregenden Fund der Laokoon-Gruppe, der berühmtesten Skulptur der Museen. Man schrieb den 14. Jänner 1506.

"Dem Papst wurde gesagt, dass in einem Weinberg in der Nähe von Santa Maria Maggiore eine wunderbare Statue entdeckt worden war. Sofort schickte der Papst einen Reitknecht zu Sangallo, er möge zu der Stelle eilen und sich den Fund ansehen, und, da im Haus meines Vaters zu der Zeit auch Michelangelo Buonarotti wohnte, solle auch dieser mitkommen. Zu dritt gingen wir hin und stiegen zu dem Fundort hinunter. Beim Anblick der halb ausgegrabenen Statue rief mein Vater aus: Das ist der Laokoon, den Plinius erwähnte!"

Genau einen Monat später stand die Laokoon-Gruppe im päpstlichen Belvedere-Hof. Papst Julius II., herausragende Gestalt der italienischen Renaissance, legte so den Grundstein der späteren Vatikanischen Museen. Renaissance, wörtlich: Wieder-Geburt, bezieht sich auf die ideelle Neuausrichtung Europas an antiken Vorbildern und Werten. Die Geschichte vom Fund der Laokoon-Gruppe kann als Sinnbild verstanden werden: Verschüttetes Kulturgut, das neu geboren wird in eine Zeit hinein, die reif ist für die Schönheiten früherer Jahrhunderte.

"Welchen Laokoon haben wir eigentlich?" Fragt sich Museumsdirektor Francesco Buranelli. Das griechische Original oder eine fabelhafte römische Kopie aus dem ersten Jahrhundert nach Christus? Noch 2000 Jahre später: ein ungelöstes Rätsel der Kunstgeschichte. Auch den Namen des Bildhauers wissen wir nicht. Eines aber sehen wir: Dies ist ein Ausnahme-Kunstwerk.

Die Statuengruppe zeigt den trojanischen Priester Laokoon und seine Söhne, die gegen zwei mächtige Seeschlangen kämpfen. Laokoon hatte seine trojanischen Landsleute vor dem hölzernen Pferd gewarnt, das die Griechen zurückgelassen hatten. Athena, Schutzgöttin der Griechen, sandte darum zwei Schlangen aus dem Meer empor, die Laokoon und seine beiden Söhne überfielen. Die Skulptur zeigt diese göttliche Bestrafung am Höhepunkt der Spannung: Vor einem Altar wird der kräftige Priester tödlich von einer der beiden Schlangen gebissen. Der Ausdruck seines Gesichts mit dem geöffneten Mund, die krampfhafte Bewegung des sich ein letztes Mal wehrenden Körpers, drücken das Leid dieses Sterbenden aus. Der jüngere Sohn links von ihm teilt sein Schicksal: die zweite Schlange hat ihn gefesselt und beißt ihn in die Leber. Der ältere Sohn steht auf seinem rechten Bein. Er könnte noch in der Lage sein, sich selbst zu befreien, meint man als Beobachter. Die Ansicht des grausamen Todes seines Vaters und Bruders bleibt ihm indes nicht erspart.

Wenn wir heute im Zusammenhang mit den Vatikanischen Museen von Schlangen sprechen, meinen wir freilich nur in seltenen Fällen die mörderischen Seeschlangen der Athene, die Laokoon und seine Söhne töteten. Unzweifelhaft sind die Besucherschlangen ein Problem, sagt Francesco Buranelli.

"Die Museen sind ja als Privatsammlung des Papstes geboren. Nach und nach, im Lauf der Jahrhunderte, wurden sie fürs Publikum geöffnet. Heute haben wir Millionen Besucher hier."

Genau gesagt: knapp vier Millionen im Jahr. An manchen Tagen reicht die Schlange der Besucher – entlang der Vatikanischen Mauer - mehrere Hundert Meter zurück bis zu den Kolonnaden des Petersplatzes. „Chronisch“ nennt Buranelli den Besucherandrang.

"Wir tun bereits JETZT einiges dagegen. Zu Zeiten großen Andrangs öffnen wir das Portal nicht um 8 Uhr 45 – was unsere Öffnungszeit ist – sondern um acht Uhr, und bereits so früh haben wir wartende Gruppen draußen, die bloß die Sixtinische Kappelle sehen und dann in den Petersdom weiter eilen wollen. Andererseits sind wir heute imstande, in der Minute 35 bis 39 Besucher einzulassen."

Das auch Dank des neuen Eingangs der vatikanischen Museen, der seit acht Jahren besteht. Heute erweist er sich als zu klein – die Besucherzahlen haben sich in acht Jahren verdoppelt, Billigflieger sei Dank. Erweiterte Öffnungszeiten? Leider unmöglich, winkt der Museumsdirektor ab.

„Wir schließen um 17 Uhr. Danach kommen Einzelbesucher. Etwa Staatsgäste im Vatikan. Das zieht sich bisweilen auch bis 19 Uhr hin. Kein Museum hat längere Öffnungszeiten als wir – von acht bis 19 Uhr, elf Stunden! Und sobald die Staatsgäste draußen sind, rückt das Reinigungspersonal an. Reinigung und Pflege sind nötig, um unser kostbares Erbe intakt zu halten.“

Wie feiern die Museen ihren 500. Geburtstag?
In einem Monat wird das neu gestaltete Museo Cristiano wieder eröffnet. Es bietet antike Stücke christlicher Kunst aus den Katakomben. Im Juni öffnet die Abteilung für China, Japan, Korea Tibet und die Mongolei. Die Exponate dokumentieren die indigenen Religionen und die Einflüsse des Christentums. Im Herbst machen die Museen einen neu entdeckten Abschnitt einer antiken Totenstadt am nördlichen Rand des Vatikans für Besucher zugänglich. Und im November ist eine große Schau über die Inventarnummer Eins geplant: Laokoon mit Söhnen und Schlangen.
(16.02.06 gs)







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