Armutsprävention,
Kinderfreundlichkeit und Generationensolidarität, Bildung und Erziehung sowie Ehe
- das sind die zentralen Anliegen der Kirche an die Familienpolitik. Kardinal Georg
Sterzinsky von Berlin, der deutsche "Familienbischof", nannte die vier Punkte jetzt
bei einer Podiumsdiskussion mit Familienministerin Urula von der Leyen. Angesichts
der hohen Kinderarmut in Deutschland – rund zwei Millionen Kinder und Jugendliche
unter 18 Jahren beziehen Grundsicherungsleistungen – sei die Solidargemeinschaft besonders
gefordert und müsse helfen, Armut zu verhindern. Familien müssten unterstützt werden,
eigene vorhandene Ressourcen zu aktivieren. Auch der demografische Wandel fordere
eine solidarisch ausgerichtete Gesellschaft heraus, so Kardinal Sterzinsky. Eltern
müssen davon ausgehen können, dass die Gesellschaft ihre Kinder mit deutlich spürbarer
Sympathie aufnimmt. Es brauche mehr Kinderfreundlichkeit, denn dass Kindertagesstätten
wegen unzumutbarer Lärmbelästigung geschlossen werden, sei „ein Alarmsignal, dass
die Maßstäbe nicht stimmen“, so der Berliner Erzbischof. Familie ist „die erste
und schlechthin fundamentale Erziehungs- und Bildungsinstitution“, betonte Kardinal
Sterzinsky. Dies müsse eine künftige Familienpolitik verstärkt in den Blick nehmen.
Ebenso wichtig wie die Entwicklung neuer Angebote sei eine bessere Vernetzung bestehender
Institutionen. Auch müssten die Eltern mehr in die Erziehungs- und Bildungsprozesse
einbezogen werden. Schließlich sei eine wesentliche Voraussetzung zur Verwirklichung
des Kinderwunsches eine stabile Partnerschaft. Die Ehe als dauerhafter Bund zwischen
Mann und Frau biete den geeigneten Rahmen für eine solch verlässliche Partnerschaft,
erklärte Sterzinsky. Alle müssten sich daher fragen, was sie zum Gelingen der Ehe
beitragen können. Einige kritische Anmerkungen machte Kardinal Sterzinsky zur Einführung
eines Elterngeldes im Sinne einer Lohnersatzleistung der Eltern. Zwar sei es als Instrument
der Gleichstellungspolitik zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
wie auch als finanzielle Unterstützung während der oft schwierigen Familiengründungsphase
positiv zu bewerten. Durch den geplanten Wegfall des Erziehungsgeldes würden jedoch
Familien mit niedrigem oder keinem Erwerbseinkommen finanzielle Einbußen hinnehmen
müssen. „Es entsteht der Eindruck, dass der Fortfall des Erziehungsgeldes für die
Bezieher niedriger Einkommen das Elterngeld für die Bezieher höherer Einkommen finanzieren
soll“, kritisierte der Kardinal. Die Einführung des Elterngeldes mache nur Sinn, wenn
nicht ein Teil der Familien schlechter gestellt werden würde als vorher. Das Elterngeld
solle daher „als eine Option neben dem Erziehungsgeld“ eingeführt werden, so sein
Vorschlag. Der Dialog mit den Kirchen zu Themen von Ehe, Familie und Erziehung
habe für sie einen besonderen Stellenwert, betonte die Bundesfamilienministerin Dr.
Ursula von der Leyen. „Ich bin überzeugt, dass die Kirchen auch heute Antworten geben
können auf Wertfragen, auf Erziehungsfragen, auf Fragen des Zusammenlebens.“ Drei
Schwerpunkte seien ihr für die zukünftige Familienpolitik wichtig. So brauche es mehr
Frühförderung und Erziehungskompetenz. Kinder, aber auch Eltern und Erzieher, brauchen
Werte und Orientierung. Die Werteerziehung sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe,
der sich die Kirchen in besonderer Weise stellen. Von der Leyen hob beispielhaft das
„Bündnis für Erziehung“ hervor, in dem die katholische und evangelische Kirche gemeinsam
mit ihren Wohlfahrts- und Fachverbänden auf Initiative des Bundesfamilienministeriums
an dieser Aufgabe mitarbeiten. Das Elterngeld sei eine gute Lösung, um die Vereinbarkeit
von Beruf und Familie zu verbessern. Zugleich räumte die Ministerin ein, dass finanzielle
Leistungen allein nicht ausreichten. Eine nachhaltige Familienpolitik entstehe erst
im Zusammenspiel von finanzieller Förderung, steuerlicher Entlastung, verbesserter
Kinderbetreuung und mehr Zeit und Raum für Familien. In der Einrichtung so genannter
Mehrgenerationenhäuser sieht sie ihren dritten Schwerpunkt. Der alltägliche Kontakt
zwischen Generationen biete „Chancen für ein produktives Altwerden, für gegenseitige
Hilfe und ehrenamtliches Engagement, für Akzeptanz, die den Zusammenhalt der Generationen
stärkt und Verteilungskämpfen vorbeugt“, so die Bundesfamilienministerin.
(pm
bi-konf 08.02.06 sk)
Unser Audio-Kurzbeitrag: Kardinal Sterzinsky erklärte
kürzlich dem Kölner Domradio, worum es ihm geht: nämlich, dass "Familie als auf Ehe
gegründete Lebensgemeinschaft von Eltern und Kindern im Gesamtverband der Generationen
beibehalten werden muss. Und dass wir nicht immer mit defizitären Formen von Familien
leben, die zwar soziale Unterstützung brauchen - aber nicht immer so reden, als ob
das ein Ideal wäre."