2006-01-07 15:21:07

Israel: "Nicht so tun, als wäre Sharon der große Friedensbringer"


RealAudioMP3 Der Gesundheitszustand von Ariel Sharon ist immer noch sehr ernst. Seit Mittwochabend liegt der 77jährige im Krankenhaus. Die Ärzte schließen eine Rückkehr Sharons in die Politik bereits jetzt aus. Wie es jetzt mit dem Friedensprozess weitergeht, dazu hat Alexandra Barone Joachim Schroedel befragt. Der Nahostexperte ist katholischer Pfarrer in Kairo und hat lange in Israel gelebt.

"Ministerpräsident Sharon ist nicht der Friedensbringer. Sharon ist derjenige, der die Mauern gebaut hat, der zwar jetzt in den letzten Monaten den Gaza-Streifen geräumt hat, aber der Israelis aus dem Gaza-Streifen in neuen Siedlungen in Palästina angesiedelt hat. Und ich glaube, dass ein eventueller Nachfolger hier auch keine sehr starken Friedenssignale setzen wird. Ich denke vielmehr, dass das, was der Noch-Ministerpräsident geschafft hat - Ariel Sharon - ein gutes Bild gemacht hat von Israel in der Welt als friedenswilliger Mann. Aber wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass durchaus noch sehr vieles im Argen liegt. Sharon selbst hat vor einigen Jahren die zweite Intifada provoziert. Man kann jetzt nicht so tun, als sei dieser Mann plötzlich der große Friedensbringer, ohne den wir im Nahen Osten nicht mehr auskämen."

Was denken die Israelis selbst über die Zukunft in ihrem Land?

"In Israel ist man etwa auf 50 - 50 tariert, dass heißt die Hälfte der Israelis möchten einen Prozess des Friedens, nach dem Motto "Shalom - Peace now", und sind auch zu Landrückgaben bereit. Die andere Hälfte aber - und da kommen sehr viele aus dem Ausland – setzt stark auf Konfrontation. Diese Gruppe wird sicherlich die Fortsetzung des Mauerbaus und der Siedlungspolitik befürworten. Das heißt, wahrscheinlich gehen wir wieder auf eine gewisse Patt-Situation zu - wer immer dann an der Spitze der Regierung steht.

Wer kommt Ihrer Meinung nach als Nachfolger in Frage und was würde sich ändern?

"Wenn etwa Ehut Olmert von Sharons neuer Partei als der Kandidat für den Ministerpräsidenten aufgestellt würde, dann würde der rechte Flügel eher gestärkt. Ehut Olmert hat in den letzten Jahren bewiesen, dass er ein „starker Falke“ ist, der möchte, dass Israel sein Territorium eher noch ausbaut. Wir müssen uns klar machen, Israel ist in der Tat in seinem Territorium sehr beschränkt, und im israelischen Denken wäre jeder Quadratmeter ganz gut. Wir haben immerhin jetzt etwa 18 Prozent des palästinensischen Landes auch schon wieder unter israelischer Kontrolle."

Die Palästinenserfrage ist also mehr denn je aktuell. Welche Perspektive sehen Sie für den Friedensprozess?

"Ich sehe der ganzen Situation nicht sehr optimistisch entgegen. Auch mit Sharon wäre das noch ein sehr langwieriger Prozess. Ich denke, es wird erst einmal wieder eine Hängepartie werden. Wir müssen die Wahlen in Palästina in drei Wochen abwarten und danach wahrscheinlich die Wahlen in Israel selbst."
(rv 08.01.06 ab)








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