2005-12-02 13:24:47

Vatikan: Homosexualität aus psychologischer Sicht


Die Vatikan-Instruktion über homosexuelle Priesteramtskandidaten hat für teils heftige Reaktionen in Homosexuellen-Kreisen und weit darüber hinaus gesorgt. Ein Punkt, der besonders viel Widerspruch provoziert, ist die in dem Dokument getroffene Feststellung, dass Homosexuelle sich in einer Situation befinden, "die sie in schwerwiegender Weise daran hindert, korrekte Beziehungen zu Männern und Frauen aufzubauen“. Was das konkret bedeutet, fragten wir P. Hans Zollner, der an der päpstlichen Universität Gregoriana Psychologie lehrt:

„Aus der Psychologie, aber auch aus den Beratungen und Begleitungen, die ich selber durchgeführt habe, geht hervor, dass sich bei sehr vielen homosexuellen Männern, Ordensleuten und auch Priestern – ich habe vor allem mit Priesterkandidaten zu tun – die Frage stellt: Wie kann ich mein äußeres Leben, meine Rolle als Priester und Theologe, in Einklang bringen mit der Stellung der Kirche zum Thema Homosexualität? Und bezogen auf die Frage nach den Beziehungen ist festzustellen, dass sehr viele Homosexuelle in gleichgeschlechtlichen Zirkeln entweder sehr abhängig werden oder sehr starke Konkurrenz, bisweilen sogar Rivalität entwickeln.“

Und gegenüber Frauen?

„Gegenüber Frauen ist sehr oft eine Abwertung oder auf jeden Fall eine Scheu vorhanden. Diese ist sehr oft darauf zurückzuführen, dass Männer mit homosexuellen Neigungen sich besonders qualifizieren und sich beweisen müssen, weil sie eben auf der Suche nach einer festen und stabilen Identität sind.“

Wie sieht das konkret aus, wie verhält sich ein homosexueller Mann unter Männern?

„In gleichgeschlechtlichen Gruppen kann man bei homosexuellen Männern sehr oft feststellen, dass es um Phänomene wie Eifersucht und Klüngelei geht. Das ist für kirchliche Kreise eine schwierige Frage, wenn homosexuelle Priester ihre jeweiligen Freunde, Bekannten oder auch homosexuelle Partner nachziehen und so eine Seilschaft entstehen würde, die nicht auf Qualifikation beruht, sondern darauf, dass eine gegenseitige Anziehung präsent ist.“

Was raten Sie als Psychologe und Seelsorger einem jungen Mann, der die Berufung zum Priester spürt, aber homosexuell ist? Soll er zuerst zu versuchen, heterosexuell zu werden? Oder ist der junge Mann für das Priesteramt von vorneherein verloren?

„Nein, ich glaube nicht, dass er verloren ist, wenn er sich wirklich auf die Suche nach den Gründen macht, warum er sich so erlebt. Meines Erachtens sind sehr viele Menschen, die sich als homosexuell erleben, nicht in diesem Sinn ausschließlich tief verwurzelt homosexuell. Das Problem ist heute, dass durch die gesellschaftliche Anerkennung der Homosexualität, die schon sehr weit gediehen ist, viele glauben, Homosexualität sein eine völlig problemlose Variante der menschlichen Sexualität. Ich glaube das tatsächlich nicht. Ich glaube, dass bei fast allen, jedenfalls bei denen, mit denen ich gearbeitet habe oder die ich kennen gelernt habe, eine wesentliche Frage an der Wurzel ihrer Suche nach sexueller Identität steht, nämlich: „Wie komme ich in Einklang mit dem, wer ich bin?“ Und wenn ein junger Mann, der sich als homosexuell empfindet, die Frage hat: „Will ich Priester werden?“, dann soll er sich eine gute Begleitung suchen und soll auch auf diese Frage entsprechend eingehen. Das verlangt einen hohen Grad an Ehrlichkeit, das verlangt einen hohen Grad an Mut, auch über mich selber zu reden.“

Wir wissen alle von den grauenhaften Missbrauchsfällen durch katholische Priester. Sie sind auf jeden Fall und kompromisslos zu verurteilen. Aber ist denn aus psychologischer Sicht ein homosexueller Priester ein schlechter Priester?

„Natürlich nicht. Ich kenne sehr viele homosexuelle Priester, die heute einen guten Dienst tun. Aber ich kenne auch sehr viele homosexuelle Priester, die ganz massive Schwierigkeiten haben in ihrer Identitätssuche für sich selber und in der Weise, in der diese Identitätssuche Energie und Zeit verschlingt, die sie eigentlich dafür nutzen sollten, dass sie Menschen angemessen begleiten können auf ihrem Weg zu Gott.“
(rv 01.12.05 gs)








All the contents on this site are copyrighted ©.