2005-11-16 15:33:10

Deutschland: Kein Diözesanrat mehr in Regensburg


Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller hat das Laienapostolat in seinem Bistum neu geordnet. Gestern Nachmittag hat er die Regelungen vorgestellt, zum 1. Adventssonntag, also dem Beginn des neuen Kirchjahres treten sie in Kraft. Diese Neuordnung ist bislang einmalig in Deutschland:
Die Pfarrgemeinderäte sollen demnach die "wichtigste Säule der Teilnahme aller Gläubigen am Sendungsauftrag der Kirche" bilden, erklärte das Bistum. Vorsitzender ist demnächst nicht mehr ein gewählter Laie, sondern der Pfarrer. Nicht mehr geben wird es in Zukunft die gewählten Laiengremien auf überpfarrlicher Ebene. Auf Dekanatsebene werden eigene Arbeitsgruppen projekt- und themenbezogen arbeiten. Bischof Müller wörtlich: „Der Priester ist Hirte der Pfarrgemeinde. Daher war die noch engere Verbindung des wichtigen Pfarrgemeinderates mit dem Priester notwendig. Die Dekanatsräte brauchen nicht zu erörtern, was bereits von den Pfarrgemeinderäten intensiv diskutiert worden ist. Daher werden wir auf dieser Ebene in Zukunft verstärkt projekt- und themenbezogen, wie es teilweise schon geschieht, zusammenarbeiten."

Der Diözesanrat wird aufgelöst bzw. in "zwei Diözesangremien, den Diözesanpastoralrat und das Diözesankomitee", so Bischof Müller, übergeleitet. Dem neuen Pastoralrat werden 39 Personen angehören, zwei Drittel davon Laien. Der Bischof ernennt die Mitglieder und gibt die Beratungsthemen vor. Bischof Müller: "Das Laienapostolat wird hier besonders durch den überproportionalen Anteil der Laienvertreter gewürdigt. Im Diözesankomitee können sich die kirchlichen Vereine und Verbände zusammenschließen, um noch schlagkräftiger in die Gesellschaft hineinwirken zu können."

Die Neuordnung sei nach mehr als 30 Jahren aufgrund der pastoralen Praxis "vernünftig und sinnvoll“. Sie entspreche dem II. Vaticanum und den neuen Dokumenten des Kirchlichen Lehramtes.




Stellungnahme des Vorsitzenden der Freisinger Bischofskonferenz

Der Münchner Kardinal Friedrich Wetter bedauerte unterdessen, dass Bischof Müller zu seinen Plänen vergangene Woche bei der Herbstvollversammlung der Freisinger Bischofskonferenz "keine näheren Angaben gemacht hat". Wetter betonte, zwar gebe es keine "Bischofsfront gegen den Bischof von Regensburg". In einer heute verbreiteten Stellungnahme heißt es aber auch: "Ebenso verwahrt Kardinal Wetter sich gegen den Versuch, ihn als ausdrücklichen Befürworter für die im Alleingang vorgenommenen Veränderungen im Bistum Regensburg zu vereinnahmen. Der Kardinal wird falsch interpretiert, wenn der Schluss gezogen wird, er halte den jetzt in Regensburg vollzogenen Schritt für richtig."
Schon im Vorfeld habe Wetter den Bischof von Regensburg schriftlich darum gebeten, seine Neustrukturierung nicht einseitig zu interpretieren und den Eindruck zu erwecken, als ob diejenigen, die an den durch demokratische Wahlen legitimierten Katholikenräten festhielten, „traditionalistisch an alten Strukturen“ klebten, während in Regensburg jetzt eine „Modernisierung der Rätearbeit“ vorgenommen worden sei. "Gute und treue Katholiken, die hilfsbereit und dienstbereit sind", dürften nicht demotiviert und in die Resignation gedrängt werden, so Wetter wörtlich.


Stellungnahme des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) bezeichnet die "Neuordnung des Laienapostolats im Bistum Regensburg" als Rechtsverletzung. Es handle sich faktisch um die Abschaffung des Diözesanrates als eigenständigem Zusammenschluss gewählter Vertreter der Räte und Organisationen katholischer Laien, erklärte ZdK-Präsident Hans Joachim Meyer. Diözesanräte seien bewährte, rechtlich gesicherte Institute des Laienapostolats, die auf der kanonisch anerkannten Koalitionsfreiheit der katholischen Laien und dem ihnen garantierten Recht der freien Meinungsäußerung in politischen und kirchlichen Angelegenheiten basierten. Die Neuordnung sei ohne triftige Gründe und ohne Anhörung der betroffenen Gremien vorgenommen worden. Meyer wörtlich: "Die unverzichtbare und strukturell gesicherte Zusammenarbeit von Klerikern, Ordensleuten und Laien wird faktisch zerschlagen. Dass dies 40 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil und 30 Jahre nach der Gemeinsamen der Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland geschieht, ist kirchengeschichtlich und pastoral in Deutschland ohne Beispiel."


Klarstellung des Diözesankomitees Paderborn
Der Vorstand des Diözesankomitees Paderborn reagierte "mit großer Verwunderung" auf die Vorstellung der "Neuordnung des Laienapostolates". Dort wurde gesagt "Das `Paderborner Modell` haben wir an die Verhältnisse in unserem Bistum angepasst“. Ein genauer Vergleich zeige jedoch, dass außer keine Parallele mit dem „Paderborner Modell“ bestehe, so Barbara Funke und Hans-Georg Hunstig in einer heute veröffentlichten Stellungnahme. In Paderborn sei das Diözesankomitee nicht lediglich der „Zusammenschluss der Vereine und Verbände". Hier seien – wie bislang im Regensburger Diözesanrat – auch die gewählten Vertreter der Dekanatsebene Mitglied. Wörtlich heißt es: „Wir bieten den Verantwortlichen im Bistum Regensburg gerne ein Gespräch über unsere Erfahrungen an fordern sie jedoch auf, einen Bezug auf ein ‚Paderborner Modell’ zu unterlassen.“


Reaktion des bisherigen Diözesanratsvorsitzenden
Der Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Regensburg, Fritz Wallner, kritisierte die Neuordnung. Es sei einmalig in der jüngeren Geschichte des deutschen Katholizismus, "dass solche Änderungen ohne Beteiligung, sogar ohne Anhörung der betroffenen Gremien vorgenommen werden“, erklärte er gestern Abend in Regensburg.


Hintergrund:
Zusammenschlüsse gewählter Laien auf Diözesanebene gibt es bislang in jedem der 27 deutschen Bistümer mit verschiedenen Titeln (Diözesanrat, Katholikenrat, Katholikenkomitee). Ausnahme ist das Erzbistum Hamburg, hier sitzen jedoch von der mittleren Ebene gewählte Laien im Diözesanpastoralrat. Diese Räte sollen die Anliegen der katholischen Laien in der Öffentlichkeit und in der Kirche vertreten. Sie haben eigene Satzungen, die aber durch den Bischof anerkannt werden müssen. Im Kirchlichen Gesetzbuch CIC werden sie nicht erwähnt. Sie werden auf das Dekret über das Laienapostolat des II. Vatikanischen Konzils zurückgeführt.

Im CIC dagegen ausdrücklich benannt: Die Diözesanpastoralräte als Beratungsgremium des Bischofs. Sie können vom Bischof eingesetzt werden, er beruft die Mitglieder – Laien, Priester und Ordensmitglieder, die Amtszeit endet mit der Amtszeit eines Bischofs. In etwa zwei Dritteln der deutschen Bistümer existieren diese Diözesanpastoralräte nach kanonischem Recht – zusätzlich zu den gewählten Laiengremien.
Einen Sonderweg beschreitet bislang bereits das Bistum Rottenburg Stuttgart:

Hier ist der Diözesanrat die oberste Laien- und Priestervertretung in der Diözese. Er setzt sich aber zusammen aus dem Priesterrat, dem Diözesanpastoralrat, dem Katholikenrat und der Diözesansteuervertretung.


(rv/pm 16.11.05 bp)













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