Das "abenteuerliche und faszinierende Leben" des Charles de Foucauld ließ Kardinal
José Saraiva Martins heute bei der Seligsprechung des Franzosen noch einmal Revue
passieren. Foucaulds Denken habe die Spiritualität des 20. Jahrhunderts tief geprägt,
so der Tenor. Hier ist die Predigt von Kardinal Saraiva Martins, dem Präfekten der
zuständigen Vatikan-Kongregation, bei der Seligsprechung am 13. November 2005:
"1.
Der heutige Sonntag, der 33. im Jahreskreis und vorletzter im Jahreskreis, legt uns
einige Abschnitte des Wortes Gottes vor, die auch und gerade über die Realität des
christlichen Glaubens sehr erleuchtet sind, den Glauben, den man als die beste Verwendung
der von Gott empfangenen Gaben verstehen muss. Dafür dass sie die eigenen Talente
in der göttlichen Logik der Liebe und der totalen Selbsthingabe an die Kirche zur
Vollendung gebracht haben, hat die Kirche heute in das Buch der Seligen eingeschrieben:
Charles de Foucauld, Maria Pia Mastena und Maria Crocifisso Curcio.
2.Charles
de Foucauld hat, als er in der Gegenwart des Jesuskindes während der Weihnachtszeit
1897-1898 über die Stelle aus dem Matthäus-Evangelium meditierte, die wir eben gehört
haben, sagt er über die Verpflichtung, die jener erhalten hat, der die Talente bekam,
um sie Frucht bringen zu lassen: „Wir werden nach all dem gefragt werden, was wir
bekommen haben… Und da ich viel erhalten habe, wird man viel von mir zurückfordern!
Ich habe wirklich mehr bekommen als der größte Teil der Menschheit… die Bekehrung,
die Ordensberufung, das Trappistenkloster, das Leben eines Einsiedlers, Nazareth,
den täglichen Kommunionempfang und viele andere Gnaden; man wird viel von mir zurückfordern…“ Die
Seligsprechung von Charles de Foucauld ist für uns eine Bestätigung dafür: Er war
wirklich vom Geist Gottes geführt, und so konnte er die verschiedenen Talente, die
er erhalten hatte, auch richtig einsetzen und fruchtbar werden lassen. Indem er freudig
auf die göttlichen Eingaben antwortete, folgte er einem wirklich evangeliumsgemäßen
Weg, auf dem er Tausende von Jüngern angezogen hat. Der Heilige Vater Benedikt
XVI. hat vor kurzem daran erinnert, dass „wir unseren Glauben in diesen Worten zusammenfassen
können: Jesus caritas, Jesus, die Liebe“; das sind die Worte, die Charles de Foucauld
als Devise gewählt hatte, die seine Spiritualität zum Ausdruck bringen sollte. Das
abenteuerliche und faszinierende Leben des Charles de Foucauld bietet einen überzeugenden
Beweis der Wahrheit dieser Worte des Papstes. Man kann tatsächlich mühelos einen roten
Faden erkennen, der durch alle Änderungen und Entwicklungen hindurch Stück für Stück
die Existenz von Bruder Karl durchzieht; wie 1889 Pater Huvelin dem Abt von Solesmes
schrieb: „Er hat aus der Religion Liebe gemacht“. Charles selbst offenbarte einem
Schulfreund, der Agnostiker geblieben war, das, was er selbst „das Geheimnis meines
Lebens“ nannte: „Die Nachahmung ist mit der Liebe untrennbar verbunden… Ich habe mein
Herz an jenen vor 1900 Jahren gekreuzigten Jesus von Nazareth verloren, und ich verbringe
mein Leben damit, ihn nachzuahmen, soweit ich dazu in meiner Schwachheit fähig bin“. In
der Korrespondenz mit Louis Massignon kann man die Freiheit untersuchen, die Charles
durch seine Art und Weise lieben zu lernen, erhalten hat: „Die Gottesliebe, die Nächstenliebe…
Da ist alle Religion… Wie soll man dahin kommen? Nicht an einem Tag, das ist die Vollendung
an sich.: das ist das Ziel, das wir immer zu erreichen versuchen müssen, an das wir
uns ohne zu zögern annähern müssen und das wir uns im Himmel erwarten“. Und 1882
schon finden wir den berühmten Satz von Mt 25, den er oft zitiert und der ihn bis
zur letzten Meditation 1916 begleitet, wo er die Gegenwart in der Eucharistie und
diejenige in den Geringsten miteinander in Parallele setzt: „Es gibt kein Wort
des Evangeliums, glaube ich, das auf mich einen tieferen Eindruck gemacht hat und
meine Ansicht mehr verändert hat als dieses hier: „Was ihr einem der Geringsten tut,
das habt ihr mir getan’. Wenn man bedenkt, dass diese Worte jene der ungeschaffenen
Wahrheit sind, jene des Mundes, der gesagt hat: ‚das ist mein Leib… das ist mein Blut’,
mit welcher Kraft ist man dann dazu gebracht zu versuchen, Jesus in den Geringsten
zu suchen, in den Sündern, den Armen“. Charles de Foucauld hatte einen bedeutenden
Einfluss auf die Spiritualität des 20. Jahrhunderts, und er bleibt am Anfang dieses
dritten Jahrtausends, ein fruchtbarer Bezugspunkt, eine Einladung zu einem radikal
evangeliumsgemäßen Lebensstil – und das auch jenseits der Gruppe jener, die den verschiedenen
Vereinigungen angehören, aus denen seine vielzählige und vielgestaltige geistliche
Familie entstanden ist. Das Evangelium in seiner ganzen Einfachheit anzunehmen,
zu evangelisieren, ohne etwas auferlegen zu wollen, Zeugnis für Jesus abzulegen im
Respekt vor anderen religiösen Erfahrungen, den Primat der im Geist der Geschwisterlichkeit
gelebten Liebe zu unterstreichen, das sind nur einige der wichtigsten Aspekte eines
wertvollen Erbes, das uns einlädt, so zu handeln, dass unser Leben – so wie jenes
des seligen Charles – darin besteht, „das Evangelium über die Dächer zu schreien…
zu schreien, dass wir zu Jesus gehören“.
3. Der heilige Paulus erinnert in
der zweiten Lesung, die aus dem ersten Thessalonicherbrief genommen ist, an die Notwendigkeit,
wachsam zu sein, da wir nicht wissen, wann der Menschensohn kommt, um unser Werk zu
richten, und zwar in Bezug auf die empfangenen Gaben. Das Leben des Christen ist tatsächlich
eine lange Wache, eine Zeit des Wartens auf den Herrn. Aber wir sind, wie es der Apostel
unterstreicht: „Alle Kinder des Lichts“, denn durch die Taufe sind wir in Christus,
das Licht der Welt eingesenkt. Ein gut sichtbares und strahlendes Licht war jenes,
das die selige Maria Pia Mastena zum Leuchten brachte. Sie lebte ihre Lebensumstände
als Ordensfrau im andauernden Bemühen, auf das Gesicht der Schwestern und Brüder den
Glanz des Heiligen Antlitzes zurück zu bringen, das sie so sehr liebte. Das Angesicht
des Menschen, besonders wenn es von der Sünde und dem Elend dieser Welt entstellt
ist, kann nur wieder leuchten, wenn es jenem Christi gleich ist, der am Kreuz zu Tode
gequält und von der Herrlichkeit des Vaters verklärt wurde. Mutter Mastena fühlte
tatsächlich die starke missionarische Spannung, das „Antlitz Christi zu den Menschen
auf der ganzen Welt zu bringen, an die ärmsten und verlassensten Orte“. Wenn man die
Heiligkeit der Seligen Mutter Mastena ansieht, ist es legitim, in ihr eine große Künstlerin
zu erkennen, die sich selbst das Antlitz Christi aufdrücken konnte, wobei sie durch
die Ausübung vieler Tugenden das „Gesicht der Gesichter“ annahm, das schönste Gesicht,
das unter den Menschenkindern existiert. Es gelang ihr, das Gesicht des Herrn durch
ihre persönlichen Lebensregeln in den Erscheinungsweisen der Barmherzigkeit, der Liebe,
der Vergebung, des vollen Dienstes an den Bedürftigsten durchscheinen zu lassen. Mit
großen Opfern, Schwierigkeiten, Glauben und Hartnäckigkeit gründete Mastena 1936 die
Kongregation der Schwestern vom Heiligen Antlitz, wobei sie ihren Mitschwestern ihren
Lebensplan übermittelte, den sie in Synthese so zusammenfasste: „das Antlitz Christi
in den Brüdern voranbringen, wiederherstellen, erneut zum Vorschein bringen“. So erklärte
sie mit wenigen, aber dichten Worten den jungen Schwestern das Charisma der Ordensfrauen
vom Heiligen Angesicht: „Wenn ein Bruder traurig und leidend ist, ist es unsere Aufgabe,
das Lächeln auf sein Gesicht zurückkehren zu lassen… Das ist unsere Sendung: Das Gesicht
des süßen Jesus auf dem Antlitz des Bruders lächeln zu lassen.“
4. Dem faulen
und hochnäsigen Diener des Gleichnisses von den Talenten steht im positiven Sinn die
Figur der Frau entgegen, die uns im Buch der Sprichwörter vor Augen gestellt wird.
In diesen Kontext fügt sich mit ihrem mütterlich und ausdrücklich weiblichen Charisma
die selige Maria Crocifissa Curcio ein, eine umtriebige und wirkmächtige Frau, die
darauf schaute, sich um die Bedürfnisse ihres Nächsten zu kümmern, ja, sogar soweit,
dass sie es „ihre Familie werden“ ließ. Auch Mutter Maria Crocifissa konnte „für Wolle
und Flachs“ sorgen, und sie gern „mit emsigen Händen“ bearbeiten, um so die ihr von
Gott anvertraute Familie wachsen zu lassen. Sie fand im Geist des Karmel – und da
besonders im kontemplativ-missionarischen Charisma der heiligen Teresa vom Kinde Jesu
– den Anreiz, die karmelitanische Kongregation der Missionarinnen der heiligen Teresa
vom Kinde Jesu zu gründen. Die Liebe zu Jesus führte sie auf einen Weg, der oft
beschwerlich und bitter ist, was sie erfahren ließ, was es heißt, wie Christus „gekreuzigt“
zu sein, aus der Liebe zu den Schwestern und Brüdern, die immer in ihrer Aufmerksamkeit
präsent waren, auch in den Momenten der größten Intimität mit Gott. Sie schrieb in
ihrem geistlichen Tagebuch: „Nur der Gedanke daran, für meine Brüder zu leiden, erfüllt
meine Seele mit Freude… Meine Zärtlichkeit wächst immer… und aus dieser Zärtlichkeit
heraus liebe ich die Töchter, die mir die Vorsehung anvertraut hat, ich liebe die
ganze Welt, ich liebe die Natur mit all ihren Schönheiten“. Mutter Maria Crocifissa
war eine einfache und starke Frau, die von der Liebe Gottes erfüllt war, ganz zum
Himmel gerichtet, aber trotzdem darauf sah, sich zur Erde zu beugen, besonders über
die leidende und bedürftige Menschheit. Sie konnte aus ihrem tiefen Glauben und aus
der leidenschaftlichen Liebe zur Eucharistie Inspiration und andauernde Nahrung für
ihre Suche nach der Heiligkeit ziehen. Die selige Mutter Curcio konnte in den Alltäglichkeiten
ihres Lebens das Gebet und die Aktion miteinander verbinden, wobei sie diese als Annahme
der Letzten verstand, genauer noch als Aufnahme und Ausbildung der am meisten verlassenen
Jugend. Genau für diese ihre Normalität und Konkretheit ist sie ein Modell, an dem
man sich jeden Tag inspirieren kann, weil ihre Botschaft von großer Aktualität ist.
5.
Meine lieben Schwestern und Brüder, lernen wir von den neuen Seligen, einen fruchtbaren,
im Gespräch geschehenden Glauben zu leben, denn ein „harmloser“ Glaube sagt niemandem
etwas; wenn er sich nicht in Zeugnis übersetzt, bleibt er ein „unbenützter“ Glaube.
Mit dem Beispiel des auferstandenen Christus dürfen auch wir nie aufhören, mit
den Talenten zu wirtschaften, die wir bekommen haben, damit wir jene bewundernswerten
Worte wiederholen hören, die man eine „Seligsprechungsformel aus dem Evangelium“ nennen
könnte: „Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Komm, nimm teil an
der Freude deines Herrn!”
Und hier weitere Texte aus der Seligsprechung
von Charles de Foucauld:
Einführung
Liebe Schwestern und Brüder,
wir
erheben unsere Sinne mit Freude zum Vater, weil wir die Seligsprechung der verehrungswürdigen
Diener Gottes Karl von Jesus, Maria Pia Mastena und Maria Crocifissa Curcio feiern.
Sie
werden heute als Selige anerkannt, denn sie wussten, wie sie als gute und treue
Diener die Talente einsetzen konnten, die ihnen vom Herrn anvertraut worden waren.
Wir
rufen auch für uns die Gnade des Heiligen Geistes herab, damit wir von unseren
Sünden gereinigt in Treue auf den Wegen des Herrn gehen.
Bischof Claude
Rault:
Die Bischöfe von Laghouat, der Bischofsvikar für die Diözese Rom und
der Bischof von Porto-Santa Rufina bitten demütig den Heiligen Vater Benedikt XVI.,
die Diener Gottes Charles de Foucauld, Maria Pia Mastena und Maria Crocifissa Curcio
ins Buch der Seligen einzuschreiben.
Kardinal: Im Auftrag von Papst
Benedikt XVI. lesen wir nun das Apostolische Schreiben, mit dem seine Heiligkeit die
Verehrungswürdigen Diener Gottes Charles de Foucauld, Maria Pia Mastena und Maria
Crocifissa Curcio ins Buch der Seligen einschreibt.
Apostolisches Schreiben:
Indem wir die Wünsche Unserer Brüder Claude Rault, Bischof von Laghouat, Kardinal
Camillo Ruini, Kardinalvikar für die Diözese Rom, und Gino Reali, Bischof von Porto-Santa
Rufina und vieler anderer Brüder im Episkopat und vieler Gläubiger erhören und nachdem
Wir auch die Meinung der Kongregation für die Heiligsprechungen gehört haben, erklären
Wir aufgrund unserer Apostolischen Autorität, dass die Diener Gottes Charles de Foucauld,
Maria Pia Mastena und Maria Crocifissa Curcio von nun an Selige genannt werden. Ihre
Feste sind nun: Am 1. Dezember für Charles de Foucauld, am 27. Juni für Maria
Pia Mastena und am 4. Juli für Maria Crocifissa Curcio.
Im Namen des Vaters
und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Gegeben zu Rom bei Sankt Peter am
13. November im Jahr des Herrn 2005, im ersten unseres Pontifikats. Papst Benedikt
XVI.
Die Bischöfe von Laghouat, der Bischofsvikar für die Diözese Rom und der
Bischof von Porto-Santa Rufina danken aus ganzem Herzen Papst Benedikt XVI., dass
er den Dienern Gottes Charles de Foucauld, Maria Pia Mastena und Maria Crocifissa
Curcio den Titel von Seligen zugesprochen hat.
Fürbitten: Schwestern
und Brüder, wir bitten Gott, unseren Vater, der uns auch heute sein Wort anvertraut,
um seine Liebe und seinen Beistand, damit wir wie die neuen Seligen gute Früchte bringen
können:
1. Spanisch: „Ihr seid Kinder des Lichts und Söhne des Tags“. Die
Aussage des Apostels Paulus möge für alle Getauften eine Einladung dazu werden, im
Alltäglichen nach dem Beispiel der neuen Seligen das Evangelium Christi zu leben,
um in Gemeinschaft mit Papst Benedikt und der ganzen Kirche Licht der Welt und Salz
der Erde zu sein.
2. Arabisch: „Sie öffnet ihre Hände für den Bedürftigen,
streckt ihre Hand zum Armen aus“. Die Worte des Buches der Sprichwörter sei ein Lebensprogramm
und ein Anreiz für einen konkreten und fruchtbaren Einsatz im Sozialen, vor allem
für die Ärmsten und Verlassenen, von all jenen, die den Glauben an Jesus Christus
bekennen, der gekommen ist, um zu dienen und nicht, um sich bedienen zu lassen.
3.
Französisch: „Mein Gott, wenn du existierst, lass mich dich erkennen!“ Dass
das tiefe Sehnen des Charles de Foucauld den missionarischen Geist aller Gläubigen
ergreife, besonders den jener, die dem neuen Seligen im Dienst an den Kleinen und
Entfernten folgen. Auf dass wir aus der Betrachtung der Eucharistie die Kraft dafür
bekommen, den Herrn immer mehr zu kennen und „das Evangelium durch unser Leben hinauszuschreien“.
4.
„Dass das Gesicht Jesu in jeden Winkel der Erde gebracht werde“. Die Sehnsucht der
seligen Maria Pia Mastena sei Erinnerung und Ermutigung, dass die Getauften nie ihre
christliche Identität verstecken, in Dialog mit denen eintreten, die einer anderen
Religion angehören und überall Zeugen der Liebe und Hoffnung für diejenigen seien,
die nicht glauben. 5. Englisch „Wir müssen immer das Magnificat singen, an
grauen Tagen und auch an fröhlichen und demütig sagen: ‚Ecce ancilla Domini’“. Das
Leben der Seligen Maria Crocifissa Curcio sei eine Inspiration für all jene, die sich
dem Herrn geweiht und dem Dienst an den anderen gewidmet haben mit dem Ziel der Wiedergeburt
authentischer und freudenvoller christlicher Gemeinschaften, treu den Gaben und Charismen,
die der Heilige Geist auch weiterhin in unserer Zeit gewährt.
6. Portugiesisch: „Du
guter und treuer Diener, nimm teil an der Freude deines Herrn“. Dass sich diese
Worte Jesu im Matthäusevangelium für unsere verstorbenen Schwestern und Brüder erfüllen
mögen und dass sie in der ewigen Seligkeit der Gemeinschaft mit den Engeln und allen
Seligen und Heiligen des Himmels leben können und so Gott von Angesicht zu Angesicht
schauen.
In deine Hände, o Vater, legen wir mit dem Vertrauen von Kindern unsere
Gebete und Bitten. Öffne unser Herz für deine Wahrheit und deine Liebe und führe uns
auf den Wegen des Evangeliums. Durch Christus, unseren Herrn.