2005-11-10 15:30:21

Österreich: Kapellari zu Türkei und Kroatien


Die EU-Kommission hat gestern ihre Fortschrittsberichte zu den Kandidatenländern vorgelegt. Das Urteil über die Türkei fällt sehr kritisch aus. Beobachtet wurden u.a. anhaltende Menschenrechtsverletzungen, Folterungen und Nichtbeachtung der Religionsfreiheit für Nicht-Muslime. Die EU hält dennoch am mittelfristigen EU-Beitritt der Türkei fest, obwohl über die Hälfte der EU-Bürger dagegen ist. In Österreich sind die Ablehnungswerte – gleichauf mit Zypern – am höchsten: 80 Prozent wollen die Türkei nicht als EU-Mitglied sehen. Österreichs Europabischof Egon Kapellari:

„Wir wollen als Land Österreich und als Kirche Österreich zur Türkei ein freundschaftliches Verhältnis haben, ich bin aber überzeugt, dass es ausreichen würde, dass die EU zur Türkei eine qualifizierte, vieldimensionale Verbindung hat, die schon existiert und die man noch ausbauen kann. Umgedreht halte ich dafür, dass die Öffnung der EU, die schon jetzt Gleichgewichtsprobleme hat, zu so einem großen Raum mit einer so großen Bevölkerung wie der Türkei eine Destabilisierung sondergleichen bedeuten würde. Und ich halte es für sehr bedenklich, wenn Regierungen so vieler Staaten auf die Mehrheiten ihrer Bevölkerung nicht achten.“

Anders liegen die Dinge für Kroatien. Laut Kommissionbericht halten zwar die Spannungen zwischen religiösen Gemeinschaften an. Generell wahre Kroatien aber das Recht auf Religionsfreiheit. Österreich war federführend daran beteiligt, die Aufnahme des katholischen Landes zu beschleunigen.

„Es war geradezu absurd, Kroatien nicht aufnehmen zu wollen, während man für die Türkei über alle möglichen Mängel hinwegsehen wollte. Kroatien ist ein kleines Land, es ist katholisch geprägt – das war wohl mit ein Grund bei manchen Kräften in westlich-laizistischen Ländern, Kroatien auf die Hinterbank zu schieben. Auf die Dauer geht das nicht.“

Die Österreichischen Verhandler haben im Oktober durchgesetzt, dass das Prinzip der „Aufnahmefähigkeit“ der EU bei zukünftigen Beitritten wieder eine Rolle spielen muss. Oft bleibt dieses Prinzip auf wirtschaftliche Faktoren beschränkt. Kapellari meint, dass die EU auch eine begrenzte kulturell-religiöse Aufnahmefähigkeit hat.

„Sicher stellt sich auch die Frage der kulturellen Gesamtidentität, die unter ihrem Schirm, unter ihrem Baldachin eine Menge Pluralismus verträgt und schon hat; dass eine Gesamtidentität erhalten bleibt, die auch die Achtung der Menschenrechte garantiert, und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern schon ernsthaft, dass die nicht gefährdet wird.“

Österreich übernimmt am 1. Jänner kommenden Jahres die EU-Ratspräsidentschaft. Die Bischöfe wollen in der Zeit das „Projekt EU“, so Kapellari, „mit kritischem Wohlwollen“ begleiten.
(rv 10.11.05 gs)







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