Der DDR-Geheimdienst Stasi hat den Theologen und späteren Kurienkardinal Joseph Ratzinger
seit 1974 im Visier gehabt. Das berichtet die "Bild am Sonntag" in ihrer heutigen
Ausgabe. In den Dokumenten der "Behörde der Bundesbeauftragten für die Unterlagen
des Staatssicherheitsdienstes der DDR" finde sich etwa die Einschätzung, Ratzinger
sei einer der «schärfsten Gegner des Kommunismus» im Vatikan. Dort sei er außerdem
nach dem Papst und Staatsekretär Casaroli der "einflussreichster Politiker und führende
Ideologe", meldete einer der insgesamt acht Spione, die der Stasi über Ratzinger berichteten.
Besorgt vermutete ein Spitzel laut «Bild am Sonntag», dass dem Präfekten der Glaubenskongregation
die Aufgabe zukomme, «zunehmend Einfluss auf die antkommunistische Ausrichtung der
katholischen Kirche, besonders in Lateinamerika, zu nehmen.» Außerdem überprüfte
die Stasi, ob sich Hinweise auf Ratzingers Jugendzeit während des Nationalsozialismus
finden lassen. Aus einer Notiz in den Unterlagen geht allerdings hervor, dass keine
Dokumente aus der «Zeit vor dem 8. Mai 1945» auffindbar waren. Wie im Stasi-Unterlagengesetz
vorgeschrieben, sei der Papst vor der Herausgabe des Materials informiert worden.
Er habe in einem persönlichen Schreiben an die Leiterin der Behörde, Marianne Birthler,
der Veröffentlichung zugestimmt, berichtet die Zeitung. Zugleich habe er seine Wertschätzung
für die Arbeit der Behörde bei der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit ausgedrückt. (Bild
am Sonntag, 02.10.05 gs)