In Berlin hält das Tauziehen um Mehrheiten, Koalitionen und Farbzusammenstellungen
an - in der sächsischen Hauptstadt Dresden hingegen geht der Wahlkampf weiter. Erst
am 2. Oktober ist dort der Wählerwille gefragt. Der Dresdner Bischof Joachim Reinelt
glaubt nicht, dass die Wähler seines Bistums das Farbdesign der künftigen Regierung
noch beeinflussen: „Ich denke, die meisten haben sich längst entschieden, wie
es für sie weitergeht, welche Partei sie wählen werden. Es wird nicht viel ändern
an dem jetzigen Ergebnis. Es gibt natürlich einige Enttäuschte, es gibt sehr wenig
Arbeit, besonders für diejenigen, die jetzt schon sehr lange arbeitslos sind. Das
erbost viele, und es wird einfach protestiert auch beim Wählen. Das dürfte aber eine
falsche Entscheidung sein.“ Der hohe Stimmenanteil der Linkspartei wird nicht
von Dauer sein, vermutet der Bischof aus dem Osten: „Das wird sich sofort ändern,
wenn die Erfolge der deutschen Politik wieder erkennbar sind. Jetzt wählt man seine
Enttäuschung ab. Das ist natürlich verständlich in einer Situation, in der man den
Eindruck hat, es stimmt einfach nicht mehr.“ Doch blanke West-Schelte ist mit
Reinelt nicht zu machen: „Man muss klar sagen, der Westen hat Großartiges geleistet
beim Aufbau einer Wirtschaft, die von den Kommunisten völlig ruiniert worden war.
In so kurzer Zeit dieses Niveau zu erreichen, ist eine ganz hervorragende Tat. Wer
das übersieht, verkennt, dass dies nicht ein Ost-West-Problem Deutschlands ist, sondern
dass es sich hier um globale Probleme handelt.“ Politiker aller Couleur, vor
allem die Parteispitzen, sollten in Reinelts Augen jetzt vor allem eines: sich schnell
einigen. „Wenn man jetzt noch sehr lange zögert, verlieren die in Berlin das
Vertrauen des ganzen Volkes. Das ist aber kein Ostproblem, sondern auch ein Westproblem.
Alle werden daran zweifeln, dass das Land überhaupt noch einmal mutig auf die Beine
kommt. Man wird sich in Berlin schon etwas anstrengen müssen.“ (rv 22.09.05
bp)