Bei den deutschen Bischoefen bleibt alles beim Alten. Kardinal Karl Lehmann ist der
alte und neue Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz – zum vierten Mal in Folge.
In Fulda wurde am Morgen auch der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff erneut zum
stellvertretenden Vorsitzenden gewaehlt. Die Amtszeit dauert jeweils sechs Jahre.
Kardinal Lehmann nach der Wahl: "Das sieht so aus, als ob alles ein Spaziergang
gewesen wäre, weil alle wiedergewählt worden sind. Das war natürlich nicht ganz so.
Aber Sie sehen, dass wir zügig und sogar im Plan zu einem guten Ergebnis gekommen
sind." Schon im ersten Wahlgang erhielt Lehmann die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit.
So deutlich war die Wiederwahl des 69-Jährigen nicht zu erwarten gewesen. Andere Namen
wurden gehandelt, vor allem auch aus dem vermeintlich konservativeren Lager. Außerdem
waren schon im Frühjahr Stimmen laut geworden, zwei Amtszeiten – wie in andern Bischofskonferenzen
üblich – würden genügen. Gespalten ist die Bischofskonferenz laut Lehmann nicht: „Also
der Katholizismus ist auch sehr plural geworden. Ich bin in den letzten Wochen immer
wieder angesprochen worden, ich sollte mich wieder zur Verfügung stellen und dergleichen.
Für viele ist das sicherlich das, was sie sich gewünscht haben. Andere müssen mit
mir zurecht kommen. Ich habe da keine Hemmungen, weiter zu machen, wie bisher. Man
kann immer noch Dinge besser machen, aber sonst habe ich da keine Gewissensbisse.“
Lehmann wirkt heiter und auch erleichtert. Es ist seine vierte Amstzeit als
Vorsitzender der Bischofskonferenz. Ist er amtsmüde? Der Kardinal hält es mit dem
Heiligen Paulus, „der auf der einen Seite im Gefängnis sitzt und alt ist und
krank ist und sagt, eigentlich könnte ich aufhören. Aber dann sagt er, wenn ihr das
wollt, bin ich auch zu fruchtbarer Weiterarbeit bereit. So sage ich mir das auch.
Sie können sich denken, nach 18 Jahren, wenn man im nächsten Jahr 70 ist, da kann
man sich auch noch andere Dinge, andere Beschäftigungen vorstellen. Wenn ich aber
so eindeutig von den Mitbrüdern wieder mit dem Vertrauen ausgestattet werde, dann
wäre es mir wahrscheinlich auch nicht ganz wohl, wenn ich einfach nein gesagt hätte.“
(rv 20.09.05 bp)
Noch am Morgen hatte Lehmann Machtspiele in der Kirche
kritisiert. Deutliche Worte hatte er gefunden, „Intrigenspiel und Verleumdung“ angeprangert.
Ausserdem sollten Gemeinde und Christen nicht vom kirchlichen Amt abhaengig sein,
sondern zu „Verantwortungsfaehigkeit und Zeugniseinsatz“ gefuehrt werden.
„Wenn
Sie heute morgen meine Predigt gehoert haben, dann wissen Sie, dass ich da auch mea
culpa genauso sage und nicht so sehr nur mit dem Finger auf andere zeige. Ich habe
gesagt, dass es diesen Streit ja auch unter den Juengern gab, ich nehme da niemanden
aus, mich selbst auch nicht. Ich predige immer auch fuer mich selbst zuerst. Von mir
aus gesehen, habe ich niemanden auf dem Kieker.“
Zu allen Spekulationen
im Vorfeld der Wahl hatte Lehmann beharrlich geschwiegen. Die Wahl funktioniere wie
das Konklave: Kandidatenlisten gibt es nicht, jeder Bischof schreibt seinen Favoriten
auf den Stimmzettel.
„Ich wollte wirklich jedem Einzelnen die Freiheit
lassen, seiner Wahl, seiner Meinung Ausdruck zu geben. Das ist ein Respekt vor dem
Souveraen, und dass das einigermassen so verwirklicht werden konnte, hat gezeigt,
dass es auch so richtig war.“ Lehmann gilt als liberal, ohne Zweifel, ist
aber dennoch Integrationsfigur, ist in Gesellschaft und Oekumene gleichermassen anerkannt.
EKD-Ratspraesident Wolfgang Huber gratulierte wenige Minuten nach der Wahl per Fax.
„Ohne ihren oekumenischen Geist und ihre Beharrungskraft waere die Gemeinschaft von
katholischer und evangelischer Kirche bei weitem nicht dort, wo sie sich heute befindet.“
Bundeskanzler Gerhard Schroeder unterstirch „die Wertschaetzung und den Respekt“,
den Lehmann sich ueber die katholische Kirche hinaus erworben habe. Er sei fuer ihn
ein wertvoller Gespraechspartner.
Zur Wahl standen weitere Aemter, alle
Amtsinhaber wurden in Ihren Positionen bestaetigt: Der Jesuit Hans Langendoerffer
als Sekretaer, Rainer Illgner als dessen Stellvertreter und Karl Juesten als Leiter
des Katholischen Bueros in Berlin.