Fahnen, Jubel, Benedetto-Rufe, als das Papamobil an der schönen romanischen Kirche
eintrifft. Trotz des Nieselregens schüttelt ein lächelnder, entspannter Papst im Vorhof
viele Hände, segnet ein krankes Kind mit Mundschutz. St. Pantaleon ist eine von zwölf
romanischen Kirchen, die einen Kranz um den Dom bilden. Von einem überdachten Podium
im Hof aus betet Benedikt XVI. die feierliche Vesper mit – neben ihm ein Kreuz, Kerzen,
eine Marienstatue. Ein Priesteramtskandidat im kanariengelben Polohemd grüßt ihn im
Namen der Seminaristen aus 88 Ländern. Beherzt wird das „Großer Gott, wir loben dich“
gesungen, und als ein junger Mann aus dem Collegium Albertinum in Bonn Zeugnis von
seiner Berufung ablegt, bricht die Fernsehübertragung komplett zusammen – das technische
Netz in Köln ist völlig überlastet. Die entscheidenden Bilder hat man da aber schon
gesehen: einen gelösten Papst, singende junge Priesteramtskandidaten – im Kölner Nieselregen.
Das
Treffen mit den Priesteramtskandidaten war dem Papst ein Herzensanliegen. Wir dokumentieren
hier den Wortlaut seiner Ansprache. Liebe Seminaristen! Ich begrüße Euch
alle sehr herzlich und danke Euch für Euren freudigen Empfang und vor allem dafür,
daß Ihr zu diesem Treffen aus zahlreichen Ländern der fünf Kontinente gekommen seid.
Ich denke vor allem an den Seminaristen, den Priester und den Bischof, die uns ihr
persönliches Zeugnis geschenkt haben. Herzlichen Dank! Ich freue mich über diese Begegnung
mit Euch. Ich wollte, daß in dem Programm dieser Kölner Tage ein spezielles Treffen
mit den jungen Seminaristen stattfinde, damit die Dimension der Berufung, die in den
Weltjugendtagen immer eine Rolle spielt, ausdrücklicher und stärker betont würde.
Sicher erlebt Ihr diese Erfahrung ganz besonders eindrücklich, eben weil Ihr Seminaristen
seid, das heißt junge Männer, die sich im Hinblick auf eine wichtige Aufgabe in der
Kirche in einer intensiven Zeit der Suche nach Christus und nach einer Begegnung mit
ihm befinden. Das nämlich ist das Seminar: weniger ein Ort als vielmehr ein bedeutsamer
Abschnitt im Leben eines Jüngers Jesu. Ich stelle mir vor, welche Resonanz die Worte
des Themas dieses XX. Weltjugendtags – "Wir sind gekommen, um ihn anzubeten"
– und die gesamte biblische Erzählung von den Heiligen Drei Königen, aus der es entnommen
ist, in Euch auslösen können. Dieser Evangelien-Abschnitt hat für Euch eine einzigartige
Bedeutung, gerade weil ihr im Begriff seid, den Weg der Unterscheidung und der Prüfung
der Berufung zum Priestertum zu vollenden. Darüber möchte ich zusammen mit Euch etwas
ausführlicher nachdenken.
Warum gingen die Sterndeuter aus fernen Ländern nach
Betlehem? Die Antwort ist mit dem Geheimnis der "Sterns" verbunden, den sie "aufgehen"
sahen und den sie als den Stern des "Königs der Juden" identifizierten, das heißt
als Zeichen der Geburt des Messias (vgl. Mt 2,2). Ihre Reise war also durch
eine Kraft der Hoffnung ausgelöst, die nun im Stern ihre Bestätigung und Wegweisung
erhielt – hin zum "König der Juden", zum Königtum Gottes selbst. Die Sterndeuter brachen
auf, weil sie ein tiefes Sehnen in sich verspürten, das sie drängte, alles zu verlassen
und sich auf den Weg zu machen. Es war, als hätten sie diesen Stern schon immer erwartet,
als sei diese Reise schon von Ewigkeit her in ihr Schicksal eingeschrieben gewesen
und käme jetzt endlich zur Verwirklichung. Liebe Freunde, das ist das Geheimnis des
Rufes, der Berufung – ein Geheimnis, welches das Leben jedes Christen angeht, das
aber bei denen deutlicher hervortritt, die Christus einlädt, alles zu verlassen, um
ihm in engerer Verbindung nachzufolgen. Der Seminarist erlebt die Schönheit der Berufung
in dem Moment, den wir als die Zeit des "Verliebtseins" bezeichnen könnten. Sein Inneres
ist erfüllt von einem Staunen, das ihn betend sagen läßt: "Herr, warum gerade ich?"
Doch die Liebe kennt kein "Warum", sie ist ungeschuldetes Geschenk, auf das man mit
dem Geschenk seiner selbst antwortet.
Das Seminar ist eine Zeit, die zur Aus-Bildung
und zur Unterscheidung bestimmt ist. Die Ausbildung hat, wie Ihr wißt, verschiedene
Dimensionen, die in der Einheit der Person zusammenlaufen: Sie umfaßt den menschlichen,
den geistig-geistlichen und den kulturellen Bereich. Ihr tiefstes Ziel ist es, den
Gott von innen her kennenzulernen, der uns in Jesus Christus sein Gesicht gezeigt
hat. Darum ist ein gründliches Studium der Heiligen Schrift sowie des Glaubens und
des Lebens der Kirche notwendig, in der diese Schrift lebendiges Wort bleibt. All
dies muß in Zusammenhang stehen mit dem Fragen unserer Vernunft und so mit dem Kontext
unseres menschlichen Lebens heute. Dieses Studium mag manchmal mühsam erscheinen,
aber es ist ein unersetzlicher Teil unserer Begegnung mit Christus und unserer Berufung,
ihn zu verkündigen. Alles soll dazu dienen, eine kohärente und ausgeglichene Persönlichkeit
zu entfalten, die imstande ist, die priesterliche Aufgabe gültig zu übernehmen und
dann verantwortlich zu erfüllen. Entscheidend ist die Rolle der Ausbildenden: Die
Qualität des Priesterkollegiums in einer Teilkirche hängt zum guten Teil von der des
Seminars ab und damit von der Qualität derjenigen, die für die Ausbildung verantwortlich
sind. Liebe Seminaristen, gerade aus diesem Grund beten wir heute mit herzlicher Dankbarkeit
für all Eure Oberen, Professoren und Erzieher, deren geistige Anwesenheit hier bei
unserem Treffen wir spüren. Bitten wir den Herrn, daß sie die ihnen anvertraute so
wichtige Aufgabe auf beste Weise erfüllen können. Das Seminar ist eine Zeit des Weges,
der Suche, vor allem aber der Entdeckung Christi. Tatsächlich kann der junge Mensch
nur in dem Maße, wie er Christus persönlich erfährt, dessen Willen und damit die eigene
Berufung in Wahrheit erkennen. Je besser Du Jesus kennst, um so mehr zieht Dich sein
Geheimnis an; je tiefer Du ihm begegnest, um so mehr drängt es Dich, ihn zu suchen.
Das ist eine Bewegung des Geistes, die das ganze Leben hindurch fortdauert und die
im Seminar eine Zeit voller Verheißungen erfährt, sozusagen ihren "Frühling".
In
Betlehem angekommen, gingen die Sterndeuter "in das Haus und sahen das Kind und Maria,
seine Mutter; da fielen sie nieder und beteten es an" (Mt 2,11). Das ist endlich
der so sehr erwartete Augenblick: die Begegnung mit Jesus. "Sie gingen in das Haus":
Dieses Haus stellt in gewisser Weise die Kirche dar. Um dem Retter zu begegnen, muß
man in das Haus eintreten, das die Kirche ist. Während der Seminarzeit vollzieht sich
im Bewußtsein des jungen Seminaristen ein ganz bedeutender Reifungsprozeß: Er sieht
die Kirche nicht mehr "von außen", sondern empfindet sie sozusagen "von innen", als
sein "Haus", weil sie das Haus Christi ist, wo "Maria, seine Mutter" wohnt. Und gerade
die Mutter ist es, die ihm Jesus, ihren Sohn zeigt, ihn ihm vorstellt und ihm ermöglicht,
ihn gewissermaßen zu sehen, zu berühren und in die Arme zu nehmen. Maria lehrt ihn,
Jesus mit den Augen des Herzens zu betrachten und von ihm zu leben. In jedem Augenblick
des Seminarlebens kann man diese liebevolle Gegenwart der Mutter des Herrn spüren,
die jeden in die Begegnung mit Christus einführt, im Schweigen der Meditation, im
Gebet und in der Brüderlichkeit. Maria hilft, dem Herrn vor allem in der Eucharistiefeier
zu begegnen, wenn er im Wort und im verwandelten Brot zu unserer täglichen geistigen
Nahrung wird.
"Da fielen sie nieder und beteten es an … Dann holten sie ihre
Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar" (Mt
2,11-12). Das ist der Höhepunkt des ganzen Weges: Die Begegnung wird zur Anbetung,
mündet in einen Akt des Glaubens und der Liebe, der in dem von Maria geborenen Jesus
den menschgewordenen Sohn Gottes erkennt. Ist nicht in der Geste der Sterndeuter bereits
der Glaube des Simon Petrus und der anderen Jünger, der Glaube des Paulus und aller
anderen Heiligen, insbesondere der heiligen Seminaristen und Priester vorgebildet,
die die zweitausend Jahre der Geschichte der Kirche gekennzeichnet haben? Das Geheimnis
der Heiligkeit ist die Freundschaft mit Christus und die treue Zustimmung zu seinem
Willen. "Christus ist für uns alles", sagte der heilige Ambrosius, und der heilige
Benedikt ermahnte, der Liebe zu Christus nichts vorzuziehen. Möge Christus für Euch
alles sein. Vor allem Ihr, liebe Seminaristen, bringt ihm das Kostbarste dar, was
Ihr besitzt, wie der verehrte Johannes Paul II. in seiner Botschaft für diesen Weltjugendtag
vorschlug: das Gold Eurer Freiheit, den Weihrauch Eures Gebets, die Myrrhe Eurer tiefsten
Liebe (vgl. Nr. 4).
Das Seminar ist die Zeit der Vorbereitung auf die Sendung.
Die Weisen aus dem Orient "kehrten zurück" in ihr Land, und sicher legten sie Zeugnis
ab von ihrer Begegnung mit dem König der Juden. Auch Ihr werdet nach dem langen und
notwendigen Ausbildungsgang des Seminars ausgesendet werden, um geweihte Diener Christi
zu sein; jeder von Euch wird als ein alter Christus zu den Menschen zurückkehren.
Auf ihrer Heimreise mußten die Sterndeuter sich sicher mit Gefahren, Mühen, Verirrungen
und Zweifeln auseinandersetzen… Der Stern, der sie geführt hatte, war nicht mehr da!
Inzwischen trugen sie das Licht in sich. Ihnen oblag es nun, es zu hüten und
zu nähren in der ständigen Erinnerung an Christus, an sein heiliges Angesicht, an
seine unbeschreibliche Liebe. Liebe Seminaristen! So Gott will, werdet auch Ihr eines
Tages vom Heiligen Geist geweiht Eure Sendung beginnen. Erinnert Euch immer an die
Worte Jesu: "Bleibt in meiner Liebe“ (Joh 15,9). Wenn Ihr in Christus bleibt,
werdet ihr reiche Frucht bringen. Nicht Ihr habt ihn erwählt, sondern er hat Euch
erwählt (vgl. Joh 15,16): Das ist das Geheimnis Eurer Berufung und Eurer Sendung!
Es ist im unbefleckten Herzen Marias bewahrt; sie wacht mit mütterlicher Liebe über
jeden von Euch. Wendet Euch oft und vertrauensvoll an sie. Ich versichere Euch meine
Liebe und mein tägliches Gebet und erteile Euch von Herzen den Segen. (rv 20.08.05
gs/bp)