Der Papst in Deutschland beim Weltjugendtag: Hier alle Meldungen auf einen Blick.
20
Uhr 24: "Auf Wiedersehen, Heiliger Vater!" Nicht nur der Weltjugendtag ist
inzwischen zu Ende, auch die erste Auslandsreise des Papstes. Gegen 21 Uhr 15 wird
Benedikt XVI. an Bord der Lufthansa-Maschine namens "Regensburg" zurück erwartet.
Bundespräsident Horst Köhler, eine Abordnung der Bundeswehr samt Blaskapelle und zahlreiche
Jugendliche bereiteten ihm zuvor einen kleinen aber herzlichen Abschied am Flughafen
Köln/Bonn. "Benedikt aus Bayern. Wir wollen mit dir Feiern" - so eine der immer
neuen Varianten der Sprechchöre. Köhler, bewegt von den vergangenen Tagen und der
Begegnung mit dem deutschen Pontifex, fand warme Worte: "Heiliger Vater, schöne
und segensreiche Tage liegen hinter Ihnen. Der XX. Weltjugendtag war ein überwältigendes
Ereignis...Ganz besonders danke ich auch den vielen Tausend Freiwilligen Helfern und
den Gastgebern...Sie, Heiliger Vater, haben zu diesem Weltjugendtag ihre erste Auslandsreise
unternommen. Ihre Heimat und die vielen Gäste aus aller Welt haben Sie mit Begeisterung
und mit echter Herzlichkeit empfangen. Sie wiederum haben wichtige Impulse gegeben
und Zeichen gesetzt für die verschiedenen Begegnungen zwischen den Konfessionen und
Religionen...wir alle sind Ihnen dankbar dafür...Ich danke Ihnen für Ihren Besuch
in Deutschland, für Ihre Herzlichkeit, für Ihre Zugewandheit." Nicht minder
herzlich, Benedikt XVI. selbst. Noch einmal dankt er seinem Gastgeberland; er wirkt
zufrieden und erfüllt: "Die gemeinsam verbrachten Tage haben vielen jungen Leuten
aus aller Welt ermöglicht, Deutschland besser kennenzulernen:
Wir wissen alle um das Böse, das im 20. Jahrhundert von unserem Vaterland ausgegangen
ist, und bekennen es mit Scham und Trauer. Aber in diesen Tagen ist gottlob weithin
sichtbar geworden, daß es auch das andere Deutschland gab und gibt – ein Land einzigartiger
menschlicher, kultureller und spiritueller Werte. Ich wünsche mir, daß diese Werte
auch dank dem Ereignis dieser Tage neu in die Welt ausstrahlen mögen. Ich wünsche
mir, daß sich der gemeinsame Einsatz verstärkt, die jungen Generationen in jenen menschlichen
und geistigen Werten zu erziehen, die zur Gestaltung einer Zukunft in wahrer Freiheit
und in Frieden unverzichtbar sind. Mein Wunsch ist, daß dieses kirchliche Ereignis
in das Leben der Katholiken Deutschlands eingeschrieben bleibe und sie zu neuem geistlichen
und apostolischen Schwung motiviere! Möge das Evangelium von allen Jüngern Christi
unverkürzt aufgenommen sowie mit aller Kraft bezeugt werden und sich so als ein Ferment
echter Erneuerung der gesamten Gesellschaft in Deutschland erweisen, auch dank dem
Dialog mit den verschiedenen christlichen Gemeinschaften und den Anhängern anderer
Religionen! Das Herz erfüllt von den Erlebnissen und Erinnerungen dieser Tage, trete
ich die Rückreise nach Rom an und rufe auf alle die Fülle des göttlichen Segens herab
für eine Zukunft sorgenfreien Wohlstands in Frieden und Eintracht." (rv 21.08.05
bp)
18 Uhr 47: Abschiedskonferenz mit
den Bischöfen Zum Abschluss seiner Pastoralreise hat Papst Benedikt XVI. die
deutschen Bischöfe getroffen. Der Weltjugendtag könne sie zu einem Neuanfang in der
Seelsorge ermuntern, sagte der Pontifex zu den deutschen Oberhirten. Das Großereignis
- für Diözesen, Pfarreien und Jugendverbände hatte es schon am 12. August begonnen
- habe Energien freigesetzt und eine neue Begeisterung für den Glauben geweckt. Die
gelte es jetzt zu nutzen; neuer Schwung könne vor allem die Berufungspastoral voran
bringen. Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann dankte als Vorsitzender der Bischofskonferenz
dem Papst für seinen Besuch, vor allem für seinen "unermüdlichen Einsatz". Die gemeinsamen
Tage, der Weltjugendtage sei ein "unvergessliches Erlebnis". Als Souvenir nimmt Benedikt
eine kleine Bonifatius-Statue mit nach Rom, das Abschiedsgeschenk des deutschen Episkopats. (rv
21.08.05 bp)
18 Uhr 24: Abschiedstelegramme Benedikts Papst
Benedikt XVI. hat anlässlich des Rückflugs von Köln nach Rom Telegramme an die Staatspräsidenten
geschrieben, derern Länder er betritt bzw. überfliegt. An die Adresse des deutschen
Bundespräsidenten Horst Köhler ging ein Abschiedstelegramm. "Auf meinem Rückflug nach
Köln begleiten mich frohe Erinnerungen", so der Papst. Er danke allen Bürgern sowie
den hunderttausenden Jugendlichen aller Welt für die "herzliche Gastfreundschaft"
und verspreche allen sein Gebet. Dem österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer
schrieb Benedikt: "Ihnen sowie allen Bürgerinnen und Bürgern ihres geschätzten Landes
erbitte ich Gottes Schutz und Segen:" Und: Er schicke "herzliche Grüße". Erneut
erhält auch Italiens Präsident Carlo Azeglio Ciampi einen Gruß: Bei seiner Pastoralreise
nach Köln habe er Jugendliche aus aller Welt getroffen, so der Papst, die bereit wären,
eine Zukunft zu bauen, die "fest in den ewigen christlichen Werten verwurzelt" sei.
Den Bürgern Italiens versprach Benedikt erneut sein besonderes Gebet. (rv 21.08.05
bp)
17 Uhr 47: Köln und der Wandel Europas. Ein Kommentar
zum Abschluss. Zum Abschluss des Weltjugendtags in Köln noch einmal ein Kommentar
von Pater Eberhard von Gemmingen. Er beleuchtet das Christentreffen und die Papstreise
aus dem Blickwinkel der Kulturkritik:
"Man kann diesen gelungenen Weltjugendtag
im Grunde nur verstehen, wenn man ihn einordnet in einen größeren geschichtlichen
Rahmen. Wer Europa realistisch betrachtet, muss realisieren, dass es mit der europäischen
Kultur bergab geht und sie in 50 Jahren für die Welt keine Rolle mehr spielen könnte.
So wird auch Papst Benedikt die Lage sehen, wenn er jetzt heim fliegt. Wenn er dies
verhindern will, dann wird er Köln als einen kleinen - und doch nicht zu übersehenden
Schritt - gegen den Verfall Europas werten. Es ist die Frage, ob weitere erfolgreiche
Schritte folgen, oder ob Köln einfach zu schwach war, um den Verfall des ehemaligen
Abendlandes zu verhindern. In 50 Jahren könnte Köln als Beitrag zur Trendwende gesehen
werden, oder wenigstens als Schritt zur Rettung eines kleinen Restes in Europa. Oder
doch nur als hoffnungsloser Versuch, den Untergang des Abendlandes zu verhindern.
Worum geht's? Es geht darum, ob Generationen heranwachsen, die aufgrund einer religiösen
Fundierung sich für eine wahrhaft humane Gesellschaft engagieren, eine humane Gesellschaft,
in der jedes Leben sakrosankt ist, in der Kranke, Alte, Kinder und Greise und auch
Frauen gleiche Rechte haben wie Arbeitsfähige; ein Gesellschaft, in der Solidarität
zwischen Starken und Schwachen gilt, in der Religion geschätzt und nicht belächelt
wird; eine Gesellschaft, in der über Kirche ebenso qualifiziert berichtet wird wie
über Sport und Börse; eine Gesellschaft, die nicht für die Freizeit lebt, sondern
für einen Lebenssinn. Es geht letztlich darum, ob überzeugte Christen soweit Sauerteig
sein werden, dass Europa auf die Höhe zurückkehrt, auf der früher einmal beispielsweise
China, die arabische Welt oder eben auch Europa gewesen sind. Es muss eine Gesellschaft
sein, in der die Frage nach Gott so lebendig ist, dass das Denken der Mehrheit davon
berührt wird." (rv 21.08.05 bp/gem)
14 Uhr 30: Messe
zum größten deutschen Glaubensfest Unter grauverhangenem Himmel war es eine
würdige, mal ausgelassene, mal besinnliche Eucharistiefeier. Hunderttausende haben
die Nacht auf dem Feld verbracht, der Malteser Hilfsdienst, der seinen größten Einsatz
seit der Schlacht von Lepanto leistet, spricht von mehreren Unterkühlten, eine Frau
bekommt Wehen, im nahen Krankenhaus wird eine kleine Benedikta geboren. Eine Million
Menschen - schätzungsweise - sind zur Messe auf das Marienfeld gekommen; so viele
waren noch nie bei einem Gottesdienst in Deutschland.
Der Papst ist für die
Meisten nur ein kleines Pünktchen oben auf dem Papsthügel, über dem raumschiffartig
ein weißes Dach ruht. Aus Sicherheitsgründen – um panikartige Momente wie am Vorabend
zu verhindern – muß Benedikt diesmal auf eine große Rundfahrt im Papamobil mitten
durch die Jugendlichen verzichten; er entschuldigt sich auf sympathische Weise dafür.
Ein
Grußwort von Kardinal Meisner – auch ein Grußwort vom Präsidenten des Päpstlichen
Laienrates, Erzbischof Stanislaw Rylko. Musik eines Essener Komponisten: die Missa
Mundi, mit Instrumenten aus aller Welt. Jeder der fünf Messteile steht für einen Kontinent.
Einmal wird eine indische Sitar gezupft; dann ertönt ein Horn der australischen Ureinwohner.
Und immer wieder das Mottolied dieses Weltjugendtags: "Wir sind gekommen, um ihn anzubeten."
Riesenbeifall,
als der Papst am Schluss der Feier bekannt gibt: Den nächsten Weltjugendtag außerhalb
Roms gibt’s 2008 im australischen Sidney! Der Papst geht mit etwas unsicherem Schritt,
lächelt etwas verschämt, freut sich aber doch sichtlich über Applaus und Benedetto-Rufe.
Das Evangelium erzählt noch einmal die Suche der Sterndeuter aus dem Osten. Die Fürbitten
werden in allen möglichen Sprachen gesprochen, u.a. im afrikanischen Bambara, auch
Senioren wirken hier mit, als Zeichen, dass in der Kirche alle Generationen zusammengehören.
Als einmal Papst Johannes Paul II. gewürdigt wird, klatscht auch der neue, deutsche
Papst von seinem Stuhl aus. Bei der Gabenprozession bringen tatsächlich Heilige Drei
Könige – in Wirklichkeit Sternsinger aus Aachen – Gold, Weihrauch und eine Myrrhe-Pflanze
aus dem Heiligen Land zum Papst.
Nach der Messe eine kleine Sendungsfeier:
Kardinal Joachim Meisner – vom Papst mal aus Versehen Johann genannt – überreicht
Jugendlichen von allen Kontinenten Teile des Weltjugendtag-Logos. Sie sollen den Geist
von Köln in ihren Ländern verbreiten. In diesem Moment sind das Verkehrschaos, die
Kälte der Nacht, die Übermüdung und mancher Ärger über die Organisation vergessen.
Es ist ein eindrucksvoller Schlusspunkt für Kölns, ja Deutschlands größtes Glaubenstreffen
aller Zeiten. (rv 21.08.05 sk/bp)
13
Uhr 38 Papst beklagt "seltsame Gottvergessenheit" Mit dem meistbesuchten Gottesdienst
auf deutschem Boden hat der Kölner Weltjugendtag seinen Höhepunkt und Abschluss erreicht.
Papst Benedikt XVI. beklagte in seiner Predigt vor rund einer Million Jugendlichen
aus 197 Staaten auf dem Marienfeld bei Köln "eine seltsame Gottesvergessenheit". Zu
dem Gottesdienst begrüßte der gastgebende Bischof, Kardinal Joachim Meisner, auch
rund 10.000 Geistliche, darunter viele Kardinäle und Bischöfe. Nach der Messe bei
neblig-trübem, aber trockenem Wetter bestätigte das Kirchenoberhaupt unter großem
Beifall, dass der nächste Weltjugendtag 2008 in Sydney stattfindet. Benedikt
XVI. dankte auch allen, die zum Gelingen des Weltjugentages beigetragen hätten. Der
Papst betonte in seiner in fünf Sprachen gehaltenen Predigt, dass Religiöses zwar
boome, aber Religion nicht selten "quasi ein Produkt des Konsums" werde. Jeder wähle,
was ihm gefalle. In seiner Ansprache ging Benedikt XVI. besonders auf das Sakrament
der Eucharistie ein. In der Eucharistiefeier beginne ein Prozess der Verwandlung,
der allein die Welt wirklich erneuern könne. Gewalt werde zur Liebe und Tod zu Leben.
So habe der Tod nicht "mehr das letzte Wort". Das sei "die Kernspaltung im Innersten
des Seins", die "innerste Explosion des Guten". Der Papst unterstrich, wer Christus
entdeckt habe, müsse auch andere zu Christus bringen, so wie man auch eine große Freude
nicht für sich alleine behalten könne. Die Teilnahme an der Eucharistie müsse
Folgen für das tägliche Leben haben. Als Beispiele nannte er die Fähigkeit des Vergebens,
Sensibilität für die Nöte anderer und den Einsatz für andere. Alte Menschen dürften
nicht ihrer Einsamkeit überlassen bleiben, an den Leidenden dürfe nicht vorbeigegangen
werden. Bei dem Gottesdienst wurde die "Messe der Welt" von Thomas Gabriel uraufgeführt.
In dem Werk setzte der Seligenstädter Komponist die fünf Gottesdienstteile mit den
Kontinenten in Verbindung. Das europäische Kyrie musste wegen Zeitnot leider gestrichen
werden, aber es ertöne ein südamerikanisches Gloria und ein indisches Credo. Das Sanctus
prägten afrikanische Trommelrhythmen, Didgeridoos erklangen beim australischen
Agnus Dei. Die meisten Jugendlichen hatten die Nacht von Samstag auf Sonntag auf
dem Marienfeld verbracht. Die Polizei bezeichnete die Verhältnisse als sehr ruhig.
Die Rettungsdienst-Zentrale beklagte allerdings, dass die "euphorisierten jungen Menschen"
nur schwer zum Verlassen der Wege für Krankenwagen angehalten werden konnten. Die
3.000 Rettungsdienst-Kräfte versorgten mehrere hundert Pilger, die meist unter leichteren
Beschwerden wie Erschöpfung und oder kühlen Temperaturen gelitten hätten. (rv/kna
21.08.05 bg/bp)
22 Uhr 37: Nachtwache
mit dem Papst
Eine große Gebetsvigil mit Jugendlichen aus aller Welt ist
der Höhepunkt des XX. Weltjugendtags, zumindest der emotionale. Die Nacht mit Gebeten,
Gesängen und Anbetung des Allerheiligsten soll auf die Messfeier mit Papst Benedikt
XVI. vorbereiten. Den ganzen Samstag zogen Hunderttausender junger Menschen auf das
Marienfeld, eine ehemalige Braunkohle-Grube bei Kerpen. Am Samstag Abend, gegen 20
Uhr, traf auch der Papst dort ein.
Eine „Kathedrale für einen Tag“ erhebt sich
auf dem Marienfeld: 27 Leuchtsäulen, die für die deutschen Bistümer stehen. Eine Nacht
mit dem Papst im Zeichen des Lichtes: mit mehr als 12.000 strahlenden Kerzen, um den
Papsthügel und das Kreuz der Weltjugendtage zu erleuchten. Auch das „Licht von Bethlehem“,
das alljährlich nach Europa und auch nach Deutschland gebracht wird, spielt eine Rolle
bei der Feier dieser Nacht. Dem Pontifex werden auch die Texte all der Gebete überreicht,
die Jugendliche im Geistlichen Zentrum des Weltjugendtags direkt am Rhein in diesen
Tagen geschrieben haben. Papst Benedikt selbst hielt eine persönliche, ans Herz
gehende Predigt, in jugendgemäßer Sprache und warmem Tonfall, so gar nicht professorenhaft,
deutsch, englisch, französisch und spanisch: die Sendung der drei Weisen aus dem Morgenland
ins Heute übersetzt.
(rv 20.08.05 bp)
22
Uhr 28: "Die Jugend ist das Beste!" Kommentar von Pater Eberhard von Gemmingen Es
geht um die Jugendlichen. Und die sind das Großartigste, was dieser Weltjugendtag
zu bieten hat - sagt Pater Eberhard von Gemmingen in seinem Kommentar:
"Ich
bin der Ansicht, dass das Interesse der breiten Öffentlichkeit und der Medien sich
beim WJT nicht auf das Wichtigste richtet. Ich muss das erklären: Dass ein Papst sich
mit Vertretern anderer Kirchen und mit Politikern trifft, ist eigentlich schon normal,
ebenso dass er mit Seminaristen betet und mit Muslimen spricht. Hervorgehoben wird
zu Recht, dass er die Synagoge in Köln besucht hat. Das ist wirklich historisch. Am
Wichtigsten und doch am Wenigsten beachtet ist aber doch das Verhalten der Jugendlichen
hier in Köln. Wer sie aufmerksam beobachtet, sieht nicht nur, dass sie singen und
tanzen und fröhlich sind, sondern er kann auch sehen, dass sie unglaublich geduldig
und tolerant sind. Sie warten stundenlang, dass sie endlich in den Kölner Dom und
zum Schrein der Heiligen Drei Könige kommen, denn das gehört zum Wallfahrtsprogramm.
Sie trinken nicht, sie schreien nicht, sie geraten nicht in Panik, wenn es plötzlich
stark regnet. Sogar die Kölner Polizei ist erstaunt über so viel Disziplin. Und wer
noch ein wenig genauer hinschaut, der sieht sie auch beten und meditieren - früh am
Morgen und spät am Abend und immer wieder zwischendurch. Das Verhalten dieser Jugendlichen
ist das Schönste und Erstaunlichste bei diesem Weltjugendtag. Darüber sollten sich
die Fachleute, die die öffentliche Meinung mitprägen, noch Gedanken machen. Auch die
Journalisten, die immer nur nach Liberalisierung der Kirche rufen, sollten bemerken,
dass für die Jugend offenbar etwas anderes gilt: Sie sucht - jedenfalls die Jugend
hier in Köln - Vorbilder, Herausforderung, Qualität und nicht Glaube zu ermäßigten
Preisen. Es ist vielleicht gerade für Journalisten sehr mühsam festzustellen, dass
die Lage der Menschen doch anders ist, als man sie sich immer vorgestellt hatte." (rv
20.08.05 bp/gem)
20 Uhr 09: Hoffnungsvolles
Treffen mit Moslems Neuer Impuls für den interreligiösen Dialog zwischen Christentum
und Islam: Nach Benedikts Treffen mit muslimischen Vertretern am frühen Samstagabend
haben sich beide Seiten positiv über die Begegnung geäußert. Kardinal Karl Lehmann,
der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz: "Wir sind zunächst glücklich,
dass es zu dieser Begegnung gekommen ist. Allein schon die Begegnung in dieser sehr
friedlichen und verständnisvollen Atmosphäre war wichtig. Der Heilige Vater hat mit
sehr kräftigen Worten hervorgehoben, dass der interreligiöse Dialog, vor allem aber
der zwischen Christen und Muslimen, wie er sagte, von vitaler Notwendigkeit ist. Dieser
zentrale Satz bekräftigt vieles, was sein Vorgänger gesagt hat." Auch der
Präsident der Türkisch Islamischen Union DITIB, der das Grußwort an Benedikt gesprochen
hatte, hob den positiven Gesprächsverlauf hervor. Es gebe viele Gemeinsamkeiten der
Religionen – die Heiligkeit des Lebens sei nur eine davon. Und das ist das Fazit von
Nadeem Elyias vom Zentralrat der Muslime in Deutschland: "Das Treffen und das
Gespräch mit Papst Benedikt XVI. war für uns nicht groß, eine Höflichkeitsgeste. Es
ist für uns ein Signal, wir verbinden mit diesem Signal mehr Mut, mehr Sicherheit
und mehr Vertrauen zueinander in beide Richtungen, dass die Muslime und die Christen
mehr Mut zum Gespräch miteinander fassen, und dass wir den Dialog nicht nur als Gespräche
auffassen, sondern dass wir daraus gemeinsame Aktionen planen und durchführen. Wir
erhoffen uns von Papst Benedikt XVI., dass er in seiner Amtszeit den Dialog zu einem
ständigen Forum gestaltet gemeinsam mit der islamischen Welt, damit die Probleme überall
in der Welt gemeinsam behandelt werden, und dass wir Muslime und Christen einen Strich
unter die schwarzen Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte ziehen." (rv 20.08.05
gs)
18 Uhr 39: Benedikt, Fehler der Vergangenheit nicht
wiederholen
Benedikt XVI. hat am Abend im Erzbischöflichen Palais in Köln
führede Islam-Vertreter empfangen. In der Vergangenheit hätten sich "die Beziehungen
zwischen Christen und Muslimen nicht immer durch gegenseitige Achtung und durch Verständnis
ausgezeichnet", sagte der Papst vor der 10-köpfigen Delegation. Im Namen der Religion
seien Grausamkeiten begangen worden und diese Fehler dürften nicht wiederholt werden.
Gemeinsam müssten sich Christen und Moslems gegen jede Form von Intoleranz und Gewalt
stellen. Terrorismus sei immer pervers.
Hier die Kernsätze aus der nicht-öffentlichen
Ansprache: "Ich bin sicher, auch Ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen, wenn ich
unter allen Sorgen diejenige hervorhebe, die aus dem sich immer weiter ausbreitenden
Phänomen des Terrorismus entspringt. In verschiedenen Teilen der Welt wiederholen
sich fortlaufend terroristische Aktionen, die Tod und Zerstörung verbreiten und viele
unserer Brüder und Schwestern in Kummer und Verzweiflung stürzen. Die Ersinner und
Planer dieser Attentate zeigen, dass sie unsere Beziehungen vergiften wollen. Sie
bedienen sich aller Mittel, sogar der Religion, um jedem Bemühen um ein friedliches,
loyales und entspanntes Zusammenleben entgegenzuwirken. Der Terrorismus, welcher Herkunft
er auch sei, ist eine perverse und grausame Entscheidung… Wenn es uns gemeinsam gelingt,
das Hassgefühl aus den Herzen auszurotten, uns gegen jede Form von Intoleranz zu verwahren
und uns jeder Manifestation von Gewalt zu widersetzen, dann werden wir die Welle des
grausamen Fanatismus aufhalten, die das Leben so vieler Menschen aufs Spiel setzt
und den Fortschritt des Friedens in der Welt behindert. Die Aufgabe ist schwer, aber
nicht unmöglich… Liebe Freunde, ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir, ohne
dem negative Druck der Umgebung zu weichen, die Werte der gegenseitigen Achtung, der
Solidarität und des Friedens bekräftigen müssen. Das Leben jedes Menschen ist heilig,
für die Christen wie auch für die Muslime… Es ist eine Botschaft, die man hören und
zu Gehör bringen muß: Würde ihr Widerhall in den Herzen verstummen, wäre die Welt
der Finsternis einer neuen Barberei ausgesetzt… Die Erfahrung der Vergangenheit
lehrt uns, dass sich die Beziehungen zwischen Christen und Muslimen nicht immer durch
gegenseitige Achtung und durch Verständnis ausgezeichnet haben. Wie viele Seiten der
Geschichte verzeichnen Schlachten und Kriege, die auf der einen wie auf der anderen
Seite unter Anrufung des Namens Gottes begonnen wurden, als ob die Bekämpfung des
Feindes und die Tötung des Gegners etwas sein könnte, das Ihm gefällt! Die Erinnerung
an diese traurigen Ereignisse müsste uns mit Scham erfüllen, denn wir wissen sehr
wohl, was für Grausamkeiten im Namen der Religion begangen worden sind. Die Lektionen
der Vergangenheit müssen uns davor bewahren, die gleichen Fehler zu wiederholen… Die
Verteidigung der Religionsfreiheit ist in diesem Sinne ein ständiger Imperativ, und
die Achtung der Minderheiten ein unanfechtbares Zeichen wahrer Zivilisation." (rv
20.08.05 bp)
14 Uhr
59: Treffen mit Islamvertretern
Gestern die Begegnung mit den Vertretern
des Judentums, heute das Treffen mit Moslems. Am Abend empfängt Benedikt eine Gruppe
von in Deutschland lebenden Muslimen – darunter übrigens drei Frauen. In der 10-köpfigen
Delegation wird auch Ridvan Cakir sein – er ist Präsident der Türkisch-Islamischen-Union
und wird einen Gruß an den Papst richten. Uns sagte Ridvan Cakir: "Deutschland
liebt die Muslime. Wir haben eine bestimmte Zahl, die leben in einem christlichen
Land beziehungsweise in einem Land, in dem die Christen in der Mehrheit sind. Wenn
Papst Benedikt XVI. hier in dieses Land kommt ist das eine sehr gute Sache. Wenn er
auch in diesem Land mit Muslimen spricht, ist das für uns eine Ehre. Und das überhaupt
diese Begegnung mit Muslimen stattfindet, das ist eine wunderbare Sache. Ich denke
das diese Begegnung zwischen uns Freundschaften zwischen Menschen stärken kann."
(rv 20.08.05 gs)
14 Uhr 15: Benedikt gibt Privataudienzen
für Politiker
Am Tag drei der Papstreise gaben sich im Erzbischöflichen
Palais in Köln Politiker die Klinke in die Hand. Zuvor - außerplanmäßig - ein Treffen
mit Brasiliens Alt-Fußball-Starr Pelé. Der Pontifex traf in Köln mit Bundeskanzler
Gerhard Schröder, der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel, Bundestagspräsident Wolfgang
Thierse (SPD) sowie Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers zusammen.
Insgesamt dauerten die Gespräche im Erzbischöflichen Haus eine Stunde, dem Bundeskanzler
gewährte Benedikt eine Viertelstunde Zeit. Über den Inhalt des Gesprächs mit dem Kanzler
machte das Bundespresseamt keine Angaben. CDU-Chefin Merkel sagte: "Wir sind alle
stolz, dass wir einen deutschen Papst haben." Die CDU-Kanzlerkandidatin führte aus,
sie habe mit dem Pontifex über die Ökumene sowie die Zukunft Deutschlands und Europas
gesprochen. Wir hatten die Gelegenheit, NRW-Minsterpräsident Jürgen Rüttgers nach
seiner heutigen Begegnung mit dem Pontifex zu fragen. Und das hat er uns geanwortet:
„Er hatte Zeit im Rahmen seiner Möglichkeiten, wir haben miteiander ausführlich reden
können. Ich bin beeindruckt davon, dass er nicht nur Köln, nicht nur das Erzbistum,
nicht nur NRW und Deutschland kennt, sondern auch viele Menschen ganz persönlich kennt.
Er hat auch eine sehr genaue Vorstellung davon, was hier bei uns besser sein muss
und was wir tun können, um ein Stück weit auch etwas von der WJT-Stimmung retten zu
können.“
(rv 20.08.05 gs)
13 Uhr 29: Junge
Iraker schreiben an Papst Rund 1.000 junge Katholiken aus Bagdad sind zum Weltjugendtag
nach Köln gereist. "Wir sind gekommen, um den Herrn besser kennen zu lernen und uns
zu fragen, was er von uns in einer so schwierigen Situation für unser Land und uns
selbst verlangt", schreiben sie in einem offenen Brief an Benedikt XVI. Der Papst
hat das Schreiben gelesen und seine Nähe zu den Jugendlichen aus Bagdad ausgedrückt.
(rv 20.08.05 gs)
13 Uhr 04: Kard. Kasper, wichtig
- gerade in Deutschland Ein deutscher Papst in einer deutschen Synagoge, 60
Jahre nach dem Ende eines Krieges, der sieben Millionen Juden den gewaltsamen Tod
brachte. Der Besuch Papst Benedikt XVI. in der Kölner Synagoge war ein Meilenstein
für die weitere Aussöhnung zwischen Katholiken und Juden. So kommentiert Kardinal
Walter Kasper, Präsident des päpstlichen Einheitsrates und zuständig für den Dialog
mit dem Judentum, den Synagogenbesuch des Papstes: "Es war wichtig, dass er
diesen Schritt getan hat, und es war wichtig, dass er ihn ausgerchnet in Deutschland
getan hat, hier in Köln. Und ich habe den Eindruck es ist sehr gut gelaufen, wenn
man so sagen darf: mit großem gegenseitigen Respekt. Der Papst hat ganz klar noch
einmal gesagt, er will auf der Linie seines Vorgängers Papst Johannes Paul II. fortfahren.
Sehr viele Juden sind jetzt daran zu sagen, wir müssen antworten auf diesen Gestus
des Papstes. Und ich fand das sehr sehr schön, diese ausgetreckte Hand. Die Christen
und Juden haben so viel gemeinsam, dass sie zusammenarbeiten müssen in dieser immer
mehr säkularisierten Gesellschaft." (rv 20.08.05 cb/bp)
12
Uhr 55: Positive Reaktionen auf Papst-Ökumene Ein positives Signal für die
Ökumene – so bewerteten Vertreter beider Seiten die gestrige Begegnung von Papst Benedikt
mit Repräsentanten orthodoxer und evangelischer Kirchen. Bei der Zusammenkunft mit
30 Ökumenevertretern rief der Papst in Köln zu mehr Anstrengungen in der Ökumene auf.
Die Spaltung der Christenheit stehe im Kontrast zum Willen Jesu.
Natürlich
war auf katholischer Seite auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal
Karl Lehmann, mit dabei. Er hatte den Papst herzlich im Stammland der Reformation
begrüßt, und ihm für das Signal, das er mit diesem Ökumene-Treffen setze, gedankt.
Lehmanns Bilanz im Anschluss: Ich bin sicher, dass ist eine gute Ermutigung
auf unserem ökumenischem Weg in unserem Land. Außer Frage steht für den Mainzer
Oberhirten aber auch, „dass man in der Ökumene erst mal sehr viele in der eigenen
Kirche gewinnen muss, die mitgehen auf dem Weg und die nicht einfach bremsen und blockieren.
Zweitens muss man ja immer wieder den Konsens finden mit den Partnern auf der anderen
Seite. Das kann man nicht erzwingen, das kann auch kein Papst. Der Ratsvorsitzende
der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, sprach sich für einen
ehrlichen Dialog zwischen Protestanten und Katholiken aus. Dazu gehörten auch die
Themen Abendmahl und Frauenordination. Bischöfinnen gehörten der Delegation der deutschen
Lutheraner aber nicht an. Nach dem Treffen war Huber zufrieden: „Die Begegnung
mit Papst Benedikt hier in Köln war ein gutes Zeichen für die Ökumene. Es war eine
Begegnung, die von Offenheit füreinander geprägt war, von wechselseitigem Respekt,
von Geschwisterlichkeit von gemeinsamer Verpflichtung auf die Botschaft des Evangeliums. Doch
Huber wehrt sich entschieden dagegen, um jeden Preis sich einander anzunähern. Es
war eine Begegnung, die konkreten Fragen keineswegs ausgewichen ist, die eine Grundlinie
gezeigt hat, in der wir das ökumenische Gespräch fortführen können und deswegen gehe
ich aus diesem Gespräch zuversichtlich heraus. Fortschritt im Dialog hieße
nicht, Unterschiede einfach abzuschleifen. Wer das glaubt, könne nur enttäuscht werden,
so der EKD-Mann. "Ich glaube, wir sind gegenwärtig in einer Phase der Ökumene
der Profile, die uns dazu nötigt, nicht nur auf erreichte Gemeinsamkeiten stolz zu
sein, sondern zugleich Verschiedenheiten im wechselseitigen Respekt wahrzunehmen.
Das ist glaube ich auch der einzige Weg der schließlich zu einem wechselseitigen Respekt
für die jeweiligen kirchlichen Ämter führen wird. Und wir alle wissen, dass das ein
wichtiges Element auf dem Weg ist, die große, schwierige und drängende Abendmahlsfrage
zu lösen." (rv 20.08.05 bp) 10 Uhr 50: Presse-Jubel Auch
am dritten Tag des Papstbesuchs ist die Resonanz der Medien unvermindert hoch. Eine
Presseschau zum 20. August von Pater von Gemmingen:
"Der Besuch in der
Kölner Synagoge steht eindeutig im Zentrum der Aufmerksamkeit der deutschen Presse.
Der Papst verurteile alten und warne vor neuem Antisemitismus. Er unterstreiche die
gleiche Menschenwürde aller, spreche von geschwisterlichen Beziehungen zwischen Christen
und Juden, suche Verständigung. Eine kleine Auseinandersetzung findet in der Presse
statt über die Frage, ob der Papst noch einmal ein "Mea Culpa" hätte sprechen sollen
oder nicht. Die "Frankfurter Rundschau" meint, er hätte das tun sollen. "Die Welt"
findet die Papstworte hinreichend und kann sich dabei auch auf den Präsidenten des
Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, berufen. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung"
erinnert besonders an die Papstworte, dass eine neu-heidnische Ideologie Schuld an
der Schoa gewesen sei. Vergleichsweise wenig Raum nehmen die Begegnungen
des Papstes mit Vertretern der anderen christlichen Kirchen ein. Die "Kölnische Rundschau"
geht hier weiter. Die Atmosphäre der Begegnung sei sehr gut gewesen. Manche hätten
freilich konkretere Schritte in der Ökumene erwartet, was aber utopisch sei, bei einer
kurzen Begegnung. Das Blatt merkt an der Papst habe dem schriftlichen Text hinzugefügt,
die katholische Kirche erwarte heute keine Rückkehr der anderen Kirche mehr in ihren
Schoß. Die Einheit müsse in der Zukunft gesucht und gefunden werden. Ein evangelischer
Theologe habe bemerkt, dass der Papst nicht mehr daran festhalte, der Begriff der
Einheit werde allein von der katholischen Seite definiert. Die Kölner Zeitungen
widmen bis zu sieben Seiten ausschließlich dem Papstbesuch, zeigen viele Bilder, bringen
zahlreiche Berichte und Kommentare. Die populäre Presse überschlägt sich wie in den
vergangenen Tagen in Titeln, Bildern und Nebensächlichkeiten. Die Rede ist vom "Weltjubeltag"
und von "Verliebt in Köln" , so der "Express". Die Journalisten seien vom Weltjugendtag
begeistert, die Pilger aber seien im Härtetest. Und einmal heißt es: Fürchte dich
nicht, denn dein Gebet ist erhört. Die Bildzeitung nennt Papst Benedikt einfach "Friedenspapst"
und "Hoffnungsträger". Ein Polizeihund, der den Past angeblich bewacht, wird überschrieben:
"Wau-le-luja". Und beim Essen mit dem Papst erkannten die Jungen, laut Bildzeitung,
der Papst lässt die Forelle links liegen und isst lieber Omlette." (rv 20.08.05
bp) 10 Uhr 49: Papst-Programm am Tag der drei Papst Benedikt
XVI. trifft heute Abend mit Vertretern des Islam zusammen. Nachdem er gestern in der
Kölner Synagoge den Dialog mit dem Judentum bekräftigt hatte, ist für heute 18 Uhr
eine Begegnung mit den Präsidenten der türkisch-islamischen Union geplant. Danach
hält Benedikt eine Vigil mit den über 400.000 zum WJT angereisten Jugendlichen auf
dem Marienfeld. Wegen des anhaltenden Regens fürchten die Veranstalter um die Stabilität
des Geländes. Heute früh hat Benedikt im Erzbischöflichen Palais eine Messe mit
rund 20 Ordensleuten gefeiert. Danach empfing er deutsche Spitzenpolitiker in Audienz:
Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, CDU-Vorsitzende
Angela Merkel und Jürgen Rüttgers, den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen.
In Deutschland finden am 18. September vorgezogene Bundestagswahlen statt. (rv
20.08.05 gs) 09 Uhr 58: Benedikt, mehr Dialog, aber Geduld Etwa
dreißig Repräsentanten christlicher Kirchen Deutschlands hat der Papst am Freitag
Abend im Erzbischöflichen Haus von Köln empfangen. Dabei sprachen Kardinal Karl Lehmann
und EKD-Ratsvorsitzender Bischof Wolfgang Huber auch Probleme im ökumenischen Miteinander
an. Bischof Huber forderte einen offenen Dialog über Kirchendifferenzen. Jetzt müsse
über das unterschiedliche Verständnis des Abendmahls und über Frauen und kirchliches
Amt gesprochen werden, so Huber. Dann kam die erste ökumenische Grundsatz-Rede von
Benedikt XVI. Es sei "ein Gebot der Stunde", den Dialog auf allen Ebenen des kirchlichen
Lebens weiter zu führen. Gemeinsam mit vielen Christen erwarte er sich weitere konkrete
Schritte der Annäherung. Die Spaltungen stünden "im Kontrast zum Willen Jesu und machen
uns vor den Menschen unglaubwürdig". Benedikt mahnte aber auch zur Geduld: "Es darf
keinen Dialog um den Preis der Wahrheit geben." Nach Überzeugung der katholischen
Kirche bestehe die Einhait eben "unverlierbar in der katholischen Kirche". Das bedeute
jedoch nicht Einheitlichkeit in allen Ausdrucksformen der Theologie und der Spiritualität,
in den liturgischen Formen und in der Disziplin", sondern "Einheit in der Vielfalt
und Vielfalt in der Einheit…"
09 Uhr 53: Papst an
Seminaristen Fahnen, Jubel, Benedetto-Rufe, als das Papamobil an der schönen
romanischen Kirche eintrifft. Trotz des Nieselregens schüttelt ein lächelnder, entspannter
Papst im Vorhof viele Hände, segnet ein krankes Kind mit Mundschutz. St. Pantaleon
ist eine von zwölf romanischen Kirchen, die einen Kranz um den Dom bilden. Von einem
überdachten Podium im Hof aus betet Benedikt XVI. die feierliche Vesper mit – neben
ihm ein Kreuz, Kerzen, eine Marienstatue. Ein Priesteramtskandidat im kanariengelben
Polohemd grüßt ihn im Namen der Seminaristen aus 88 Ländern. Beherzt wird das „Großer
Gott, wir loben dich“ gesungen, und als ein junger Mann aus dem Collegium Albertinum
in Bonn Zeugnis von seiner Berufung ablegt, bricht die Fernsehübertragung komplett
zusammen – das technische Netz in Köln ist völlig überlastet. Die entscheidenden Bilder
hat man da aber schon gesehen: einen gelösten Papst, singende junge Priesteramtskandidaten
– im Kölner Nieselregen.
Hier die Kernsätze an die Seminaristen:
Ich
freue mich über diese Begegnung mit euch. Ich wollte, dass in dem Programm dieser
Kölner Tage ein spezielles Treffen mit den jungen Seminaristen stattfinde, damit die
Dimension der Berufung, die in den Weltjugendtagen immer eine Rolle spielt, ausdrücklicher
und stärker betont würde. Sicher erlebt ihr diese Erfahrung ganz besonders eindrücklich,
eben weil ihr Seminaristen seid, das heißt junge Männer, die sich im Hinblick auf
eine wichtige Aufgabe in der Kirche in einer intensiven Zeit der Suche nach Christus
und nach einer Begegnung mit ihm befinden. Das nämlich ist das Seminar: weniger ein
Ort als vielmehr ein bedeutsamer Abschnitt im Leben eines Jüngers Jesu. Ich stelle
mir vor, welche Resonanz die Worte des Themas dieses XX. Weltjugendtags, „Wir sind
gekommen, um ihn anzubeten“, und die gesamte biblische Erzählung von den Heiligen
Drei Königen, aus der es entnommen ist, in euch auslösen können… Das Seminar ist
die Zeit der Vorbereitung auf die Sendung. Die Weisen aus dem Orient kehrten zurück
in ihr Land, und sicher legten sie Zeugnis ab von ihrer Begegnung mit dem König der
Juden. Auch ihr werden nach dem langen und notwendigen Ausbildungsgang des Seminars
ausgesendet werden, um geweihte Diener Christi zu sein; jeder von euch wird als ein
„alter Christus“ zu den Menschen zurückkehren. Auf ihrer Heimreise mussten die Sterneuter
sich sicher mit Gefahren, Mühen, Verirrungen und Zweifeln auseinanderzusetzen. Der
Stern, der sie geführt hatte, war nicht mehr da! Inzwischen trugen sie das Licht in
sich…. Erinnert euch immer an die Worte Jesu: Bleibt in meiner Liebe. Wenn ihr
in Christus bleibt, werdet ihr reiche Frucht bringen. Nicht ihr habt ihn erwählt,
sondern er hat euch erwählt: das ist das Geheimnis eurer Berufung und eurer Sendung! (rv
19.08.05 bp)
09 Uhr 14: Nächste Auflage des WJT in Sydney Die
australische Metropole Sydney wird 2008 die katholische Jugend der Welt willkommen
heißen. Das hat gestern auch eine Jugendliche bestätigt, nachdem sie mit Benedikt
XVI. in Köln zu Mittag gegessen hatte. Dabei hatte der Papst sie auf den nächsten
Weltjugendtag in Sydney angesprochen. Die 19jährige Australierin berichtete anschließend
den Journalisten, Benedikt habe ihr gesagt, er freue sich auf seine Reise auf den
fünften Kontinent aus Anlass des nächtsen Weltjugendtages. Offiziell soll der
Austragungsort des nächsten WJT erst zum Abschluss des Kölner Treffens am Sonntag
bekannt gegeben werden. (rv 20.08.05 gs) 09 Uhr 07: Vatikan für
mehr Hochschulseelsorge Der Präfekt der vatikanischen Bildungskongregation,
Kardinal Zenon Grocholewski, hat sich für eine Stärkung der Hochschulpastoral ausgesprochen.
Gerade höher Gebildeten müsse «auf dem Niveau universitärer Bildung» das Licht des
Glaubens erschlossen werden, sagte Grocholewski gestern beim Weltjugendtag in Köln.
Besonders im Umfeld von Hochgebildeten gebe es bedrängende «Armut im geistlichen und
seelischen Bereich». (kna 20.08.05 gs)
Freitag,
19. August:
16 Uhr 41: Papst besucht Synagoge Papst
Benedikt XVI. hat heute Mittag die Kölner Synagoge besucht. Es war ein sehr langer
Händedruck und mit beiden Händen – jener, den Papst Benedikt XVI. und Rabbi Netanel
Teitelbaum wechselten. Und der Applaus der Anwesenden in der Kölner Synagoge war
mindestens genauso lang. Sicherlich war dieser Moment einer der Höhepunkt des Besuches
von Papst Benedikt in der Kölner Synagoge. Der Rabbi hatte in seiner Ansprache kurz
vorher unterstrichen, dass er seine Hand stellvertretend für das ganze jüdische Volk
dem Papst und damit der katholischen Kirche reiche. Die Ansprache des Rabbis war tief
persönlich – und vor allem tief beeindruckend. Alle fünf Finger hielt er in die Höhe,
als er sagte, dass er den Katholiken seine Hand reiche. Die ganze Hand wolle er den
Christen reichen. Es war der erste Besuch von Papst Benedikt XVI. in dem Gotteshaus
einer anderen Religion seit seiner Wahl, der erste Besuch des deutschen Papstes in
einer deutschen Synagoge – und historisch sicherlich, nach jenem ersten Besuch eines
Papstes überhaupt, als Johannes Paul II. die Synagoge in Rom besucht hatte. Dass die
Shoa, das schreckliche Hinschlachten von Juden durch Deutsche, bei diesem Besuch eine
große Rolle spielte, war mehr als selbstverständlich: Der Papst ging gleich nach der
Begrüßung zusammen mit allen Anwesenden in den Gedächtnisraum, der dort für die während
des Dritten Reichs ermordeten Juden eingerichtet ist. Das Kaddish, das jüdische Totengebet
erklang dort. Danach verharrte der Papst kurz in einem stillen Gebet, bevor er in
den Gebetsraum der Synagoge geführt wurde. Und dort: Der Kantor singt auf hebräisch
einen Psalm, den der Papst etwas dahinter sitzend hört. Nach dem Rabbiner ergreift
auch der Papst das Wort – und unterstreicht die Erfolge, die der Dialog zwischen Juden
und Katholiken gebracht hat. Außerdem erinnert er an das Konzilsdokument Nostra Aetate
– und vergisst vor allem auch nicht, die Shoah zu erwähnen. Er verurteilt – auch und
gerade mit Berufung auf das Konzil jeglichen Antisemitismus. Und - das ist wohl äußerst
wichtig: Der Papst spricht die „gemeinsamen Wurzeln und das äußerst reiche christliche
Erbe“, das Juden und Christen miteinander teilen. Aus diesem Erbe resultiert auch
eine gemeinsame Aufgabe für die Zukunft, so der Papst. Am Ende stellen die Gemeindeleiter
dem Papst wichtige Mitglieder der Synagogengemeinde vor – unter anderem einen Shoah-Überlebenden
aus Köln oder neue Gemeindemitglieder aus Osteuropa, von denen zwei sogar Generäle
der Roten Armee waren. Begleitet von Klezmer-Musik geht ein Treffen zu Ende, das mit
Fug und Recht historisch genannt werden kann. (rv 19.08.05 gs)
14
Uhr 44: Rabbi Teitelbaum Hier die Ansprache des Kölner Rabbi Netanel Teitelbaum
in der Synagoge in Kernsätzen.
Ihr Besuch heute, hochverehrter Papst Benedikt,
ist ein Zeichen hin zur Öffnung des Friedens in der ganzen Welt und ... ein Schritt
zum Frieden zwischen den Völkern der Welt. Ihr Besuch ist auch ein aktives Zeichen
gegen den früheren christlichen Antisemitismus. Ihr Besuch hat darin größte Symbolkraft.
Er zeigt allen, dass und wo Sie die katholische Kirche im Verhältnis zu den Juden
in aller Welt sehen... Im Judentum besteht die Grundlage für den Frieden aus fünf
Säulen.... Ihr Besuch heute ist ein ein Symbol für den Frieden, der auf der Welt
herrschen muss. Einen Frieden ohne Terror. Wenn wir diese fünf Säulen zusammenfassen,
so bildet sich hieraus eine Hand. Und obwohl sie fünf Finger hat – sie ist doch eins.
Sie ist eine Hand, die Hand des jüdischen Volkes, und diese Hand gebe ich Ihnen als
ein Symbol des Friedens des jüdischen Volkes für alle Völker auf dieser Welt.
(rv 19.08.05 gs)
13 Uhr 46: Der Papst
in der Synagoge Papst Benedikt XVI. hat zu Mittag in Köln als erster Pontifex
eine deutsche Synagoge besucht. Das Kirchenoberhaupt gedachte in der Trauerhalle mit
Gemeinderabbiner Netanel Teitelbaum der von den Nazis ermordeten Juden. Beim anschließenden
einstündigen Festakt rief der Papst Christen und Juden auf, sich gegenseitig "noch
viel mehr und viel besser gegenseitig kennenzulernen". Er verurteilte jede Form von
Antisemitismus und bedauerte, dass es erneut Zeichen dafür gebe. Mit dem Synagogenbesuch
wolle er die "Freundschaft mit dem jüdischen Volk" verbessern, sagte der Pontifex.
Der Papst setzte sich in Kontinuität zu seinem Vorgänger Johannes Paul II., der
1980 in Mainz dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der Rabbinerkonferenz begegnet
sei und sich intensiv um den christlich-jüdischen Dialog bemüht habe. "Auch und gerade
in dem, was uns aufgrund unserer tiefsten Glaubensüberzeugung voneinander unterscheidet,
müssen wir uns gegenseitig respektieren und lieben", so Benedikt XVI. Er hatte die
Ansprache auf Hebräisch mit den Worten "Friede sei mit Euch" begonnen. Als Gastgeschenk
erhielt er von der Gemeinde ein Schofar-Horn, das Juden für liturgische Zwecke nutzen.
Er revanchierte sich mit einem Faksimile des Codex Vaticanus.
Benedikt XVI.
erinnerte an die Geschichte der christlich-jüdischen Beziehungen, die "komplex und
oft schmerzlich" sei. 60 Jahre nach Befreiung der Konzentrationslager der Nazis verneigte
er sich vor den Opfern des Holocaust. Die Kirche müsse die Erinnerung daran in der
Jugend wach halten, damit "die Mächte des Bösen nie wieder die Herrschaft erlangen".
Christen und Juden sollten in Zukunft zusammen für Frieden und Gerechtigkeit eintreten.
Ihr gemeinsames Erbe seien die Zehn Gebote, so der Papst.
Michael Rado vom
Vorstand der jüdischen Gemeinde, die den Papst kurz nach seiner Wahl eingeladen hatte,
bewertete den Besuch als außergewöhnliches Ereignis mit enormer religiöser und politischer
Bedeutung. Möglicherweise könne er dazu beitragen, immer noch vorhandenen kirchlichen
Antisemitismus zu bekämpfen. Er bezeichnete Benedikt XVI. als "Brückenbauer zwischen
den Religionen" und würdigte, dass das Kirchenoberhaupt den von seinem Vorgänger eingeschlagenen
Weg forsetze.