Papst Benedikt XVI. betonte bei seinem Besuch in der Synagoge seine Sehnsuch nach
Freundschaft zwischen Christen und Juden, die er selbst gerne als "fratres maiores
- ältere Brüder" bezeichnet. Wir dokumentieren hier die Kernsätze der Papst-Ansprache:
Schalom
lechem! … Auch bei dieser Gelegenheit möchte ich versichern, dass ich beabsichtige,
den Weg zur Verbesserung der Beziehungen und der Freundschaft mit dem jüdischen Volk,
auf dem Papst Johannes Paul II. entscheidende Schritte getan hat, weiterzuführen… Im
20. Jahrhundert hat in der dunkelsten Zeit deutscher und europäischer Geschichte eine
wahnwitzige neuheidnische Rassenideologie zu dem staatliche geplanten und systematisch
ins Werk gesetzten Versuch der Auslöschung des europäischen Judentums geführt, zu
den, was als die Schoah in die Geschichte eingegangen ist…. Weil man die Heiligkeit
Gottes nicht mehr anerkannte, wurde auch die Heiligkeit menschlichen Lebens mit Füßen
getreten… Ich mache mir zu eigen, was mein verehrter Vorgänger zum 60. Jahrestag
der Befreiung von Auschwitz geschrieben hat, und sage ebenfalls: „Ich neige mein Haupt
vor allen, die diese Manifestation des mysterium iniquitatis erfahren haben.“ Die
fürchterlichen Geschehnisse von damals müssen unablässig die Gewissen wecken, Konflikte
beenden und zum Frieden ermahnen… Sowohl die Juden als auch die Christen erkennen
in Abraham ihren Vater im Glauben und berufen sich auf die Lehren Moses und der Propheten.
Die Spiritualität der Juden wird wie die der Christen aus den Psalmen gespeist. Mit
dem Apostel Paulus sind die Christen überzeugt, dass Gnade und Berufung, die Gott
gewährt, unwiderruflich sind. In Anbetracht der jüdischen Wurzeln des Christentums
hat mein verehrter Vorgänger in Bestätigung eines Urteils der deutschen Bischöfe gesagt:
Wer Jesus Christus begegnet, begegnet dem Judentum. Deshalb beklagt die Konzilserklärung
Nostra aetate alle Hassausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus,
die sich zu irgendeiner Zeit und von irgend jemand gegen das Judentum gerichtet haben.
Gott hat uns alle als sein Abbild geschaffen und uns dadurch mit einer transzendenten
Würde ausgezeichnet. Vor Gott besitzen alle Menschen die gleiche Würde, unabhängig
davon, welchem Volk, welcher Kultur oder Religion sie angehören. Aus diesem Grund
spricht die Erklärung Nostra aetate auch mit großer Hochachtung von den Muslimen und
den Angehörigen anderer Religionen… Die Kirche weiß sich verpflichtet, diese Lehre
in der Katechese und in jedem Aspekt ihres Lebens an die nachwachsenden Generationen,
die selbst nicht mehr Zeugen der schrecklichen Ereignisse vor und während des Zweiten
Weltkrieges waren, weiterzugeben. Das ist insofern eine Aufgabe von besonderer Bedeutung,
als heute leider erneut Zeichen des Antisemitismus und Formen allgemeiner Fremdenfeindlichkeit
auftauchen. Sie sind Grund zur Sorge und zur Wachsamkeit… Wir müssen uns noch viel
mehr und viel besser gegenseitig kennenlernen. Deshalb ermutige ich zu einem aufrichtigen
und vertrauensvollen Dialog zwischen Juden und Christen… Unser reiches gemeinsames
Erbe und unsere an wachsendem Vertrauen orientierten geschwisterlichen Beziehungen
verpflichten uns, gemeinsam ein noch einhelligeres Zeugnis zu geben und praktisch
zusammenzuarbeiten in der Verteidigung und Förderung der Menschenrechte und der Heiligkeit
des menschlichen Lebens, für die Werte der Familie, für soziale Gerechtigkeit und
für den Frieden in der Welt… „Der Herr gebe Kraft seinem Volk. Der Herr segne sein
Volk mit Frieden.“ (rv 19.08.05 gs/bp)