Sichtlich froh hielt Papst Benedikt XVI. seine erste Ansprache auf deutschem Boden.
Er könne nur betonen, was er auch schon gegenüber Radio Vatikan gesagt habe - so seine
ersten Worte, wie dankbar er sei, seine erste Auslandsreise nach Deutschland machen
zu können. Frei formulierte er den ersten Teil seiner Rede, erfreut über die Unterbrechungen
der Jugendlichen. "Be-ne-detto, das werden wir in den nächsten Tagen noch häufiger
hören", so der Kommentar des Papstes. Sein Besuch in Deutschland sei in erster Linie
ein Pastoralbesuch, er wolle die Jugendlichen treffen, die Bischöfe, Vertreter anderer
Religionen und der Politik. Die Bundesrepubilk sei ihm lieb, sagte Benedikt, und sie
haben große "soziale, ökonomische und kulturelle Ziele" erreicht. Die solle sie in
Zukunft auch "für die anderen Völker des Kontinents mit erneutem Engagement" weiter
verfolgen.
Hier der Gesamttext:
Sehr verehrter Herr Bundespräsident, sehr
geehrte Vertreter des politischen und öffentlichen Lebens, verehrte Kardinäle,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Bürger der Bundesrepublik, liebe junge
Menschen!
Zum ersten Mal nach meiner Wahl auf den Stuhl Petri stehe ich voll
Freude auf dem Boden meines lieben Vaterlandes, Deutschland. Und ich kann nur wiederholen,
was ich in einem Interview mit Radio Vatikan gesagt habe: Ich sehe es als eine liebevolle
Geste der Vorsehung an, dass sie es eingerichtet hat - ich hatte es nicht gewollt
- dass mein erster Besuch außerhalb Italiens in meinem Vaterland statt findet, hier
in Köln und damit zu einem Zeitpunkt, an einem Ort und zu einem Anlass, wo sich junge
Menschen aus aller Welt, aus allen Kontinenten treffen, wo die Grenzen zwischen Kontinenten,
zwischen Kulturen, zwischen Rassen und Nationen verschwinden, weil wir alle eins sind
durch den Stern, der uns erschienen ist, den Stern des Glaubens - Jesus Christus -
der uns eint und der uns gemeinsam den Weg zeigt, so dass wir hier alle miteinander
eine große Kraft des Friedens über alle Grenzen und Trennungen hinweg sind. So sage
ich Gott von Herzen Dank für diese Fügung, dass ich hier in meiner Heimat und mit
einem solchen friedenstiftenden Anlass beginnen darf, und so auch nach Köln komme
in einer tiefen Kontinuität wie Sie, Herr Bundespräsident schon gesagt haben, mit
meinem großen und geliebten Vorgänger Johannes Paul II., der diese Intuition der Weltjugendtage,
ich würde sagen, diese Inspiration gehabt hat, und damit nicht nur einen Anlass von
überragender kirchlicher und religiöser Bedeutung schuf, sondern von menschlicher
Qualität, der die Menschen über die Grenzen hin zueinander bringt und gemeinsam Zukunft
bauen hilft.
(Be-ne-detto-Rufe. (Papst lacht) .... Das werden wir jetzt noch
oft hören, nicht...)
Allen, die sie hier anwesend sind, bin ich aufrichtig
dankbar für den herzlichen Empfang, den Sie mir bereitet haben. Ein hochachtungsvoller
Gruß gilt vor allem Ihnen, Herr Bundespräsident Köhler. Ich danke Ihnen für Ihre freundlichen
Worte, mit denen Sie mir aus dem Herzen gesprochen haben. Ich wusste gar nicht, dass
jemand der in der Wirtschaft lebt auch so viel Philosoph und Theologe sein kann. Mit
Achtung und Dankbarkeit denke ich auch an die Regierungsvertreter, die Mitglieder
des Diplomatischen Korps und die zivilen und militärischen Autoritäten, den Herrn
Bundeskanzler, den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, alle hier anwesenden
Autoritäten. In brüderlicher Wertschätzung grüße ich den den Hirten der Erzdiözese
Köln, Kardinal Joachim Meisner, gemeinsam mit ihm grüße ich die anderen Bischöfe mit
dem Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Lehmann, die Priester und
Ordensleute und alle, die in den verschiedenen seelsorglichen Aktivitäten der deutschsprachigen
Diözesen ihre wertvolle Mitarbeit leisten. Allen Bürgern der verschiedenen Bundesländer
gilt in diesem Augenblick mein herzliches Gedenken.
In diesen Tagen der intensivsten
Vorbereitung auf den Weltjugendtag haben sich die Diözesen Deutschlands, und im besonderen
die Diözese und die Stadt Köln, durch die Anwesenheit so vieler Jugendlicher aus aller
Welt mit Leben erfüllt. Ich danke allen, die durch ihre kompetente und großzügige
Mitarbeit zur Organisation dieses kirchlichen Ereignisses von weltweiter Bedeutung
beigetragen haben. Voller Dankbarkeit denke ich an die Pfarreien, die Ordensinstitute,
die Vereine, die zivilen Organisationen und die Privatleute, die Einfühlsamkeit bewiesen
haben in der Art, wie sie den Tausenden von Pilgern aus den verschiedenen Kontinenten
eine herzliche und angemessene Gastfreundschaft geboten haben. Die Kirche in Deutschland
und die gesamte Bevölkerung der Bundesrepublik können sich einer verbreiteten und
gefestigten Tradition der Weltoffenheit rühmen, wie unter anderem die vielen Initiativen
der Solidarität, besonders zugunsten der Entwicklungsländer, beweisen.
In
diesem Geist der Aufnahmebereitschaft gegenüber denen, die aus anderen Traditionen
und Kulturen stammen, schicken wir uns an, in Köln den Weltjugendtag zu erleben. Die
Begegnung so vieler Jugendlicher mit dem Nachfolger Petri ist ein Zeichen für die
Vitalität der Kirche. Ich bin glücklich, mitten unter den Jugendlichen zu sein, ihren
Glauben zu stützen und ihre Hoffnung zu beleben. Zugleich bin ich sicher, daß ich
auch etwas von den jungen Leuten empfangen werde, vor allem von ihrer Begeisterung,
ihrer Einfühlsamkeit und ihrer Bereitschaft, sich mit den Herausforderungen der Zukunft
auseinanderzusetzen. Ihnen und allen, die sie in diesen ereignisreichen Tagen aufgenommen
haben, gilt schon jetzt mein herzlichster Gruß. Neben den eindringlichen Zeiten des
Gebetes, der Reflexion und des Feierns mit den Jugendlichen und allen, die an den
verschiedenen Veranstaltungen des Programms teilnehmen, werde ich Gelegenheit zu einer
Begegnung mit den Bischöfen haben, an die ich schon jetzt meinen brüderlichen Gruß
richte. Dann werde ich die Vertreter der anderen Kirchen und kirchlichen Vereinigungen
sehen, einen Besuch in der Synagoge machen, um die jüdische Gemeinde zu treffen, und
auch die Vertreter einiger islamischer Gemeinden empfangen. Es handelt sich um wichtige
Begegnungen, um den Weg des Dialogs und der Zusammenarbeit im gemeinsamen Einsatz
für die Errichtung einer gerechten und brüderlichen, dem Menschen wirklich angemessenen
Zukunft noch intensiver zu beschreiten. Im Laufe dieses Weltjugendtags werden
wir gemeinsam nachdenken über das Thema "Wir sind gekommen, um ihn anzubeten" (Mt
2,2). Das ist eine nicht zu versäumende Gelegenheit, die Bedeutung des menschlichen
Daseins als "Pilgerschaft" unter der Führung des "Sterns" auf der Suche nach dem Herrn
zu vertiefen. Gemeinsam werden wir auf die Gestalten der "Heiligen Drei Könige" schauen,
auf diese Sterndeuter, die aus verschiedenen fernen Ländern kamen und zu den Ersten
gehörten, die in Jesus von Nazareth, dem Sohn der Jungfrau Maria, den verheißenen
Messias erkannten und sich vor ihm niederwarfen (vgl. Mt 2,1-12). Dem Gedenken an
diese beispielhaften Gestalten sind die Kirchengemeinden Kölns sowie die Stadt selbst
in besonderer Weise verbunden. Ebenso wie die Heiligen Drei Könige sind alle Gläubigen,
und besonders die Jugendlichen, dazu berufen, ihren Lebensweg zu gehen auf der Suche
nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe. Es ist dies ein Weg, dessen endgültiges Ziel
nur durch die Begegnung mit Christus zu finden ist, eine Begegnung, die sich ohne
den Glauben nicht verwirklichen kann. Auf diesem inneren Weg können die vielgestaltigen
Zeichen hilfreich sein, die die lange und reiche christliche Tradition unauslöschlich
auf deutschem Boden hinterlassen hat: von den großen historischen Monumenten bis zu
den zahllosen Kunstwerken überall im Land, von den in den Bibliotheken verwahrten
Dokumenten bis zu den mit intensiver Teilnahme des Volkes gelebten Traditionen, vom
philosophischen Gedankengut bis zur Theologischen Reflexion vieler deutscher Denker,
vom geistigen Erbe bis zur mystischen Erfahrung einer ganzen Schar von Heiligen. Es
handelt sich um ein äußerst reiches kulturelles und geistiges Erbe, das noch heute
im Herzen Europas die Fruchtbarkeit des Glaubens und der christlichen Überlieferung
bezeugt. Die Diözese und insbesondere die Region Köln bewahren die lebendige Erinnerung
an große Zeugen der christlichen Kultur. Ich denke unter anderen an den hl. Bonifatius,
an die hl. Ursula, den hl. Albertus Magnus und – in neueren Zeiten – an die hl. Teresia
Benedicta a Cruce (Edith Stein) und den sel. Adolph Kolping. Diese unsere berühmten
Glaubensbrüder und -schwestern, die im Laufe der Jahrhunderte die Fackel der Heiligkeit
haben leuchten lassen, mögen "Vorbilder" und "Patrone" des Weltjugendtags sein, der
hier abgehalten wird.
Während ich Ihnen allen, die Sie hier anwesend sind,
noch einmal meinen herzlichsten Dank ausspreche für den freundlichen Empfang, bete
ich zum Herrn für den zukünftigen Weg der Kirche und der gesamten Gesellschaft dieser
mir so lieben Bundesrepublik Deutschland. Ihre Geschichte und die großen sozialen,
ökonomischen und kulturellen Ziele, die sie erreicht hat, mögen ihr Ansporn sein,
den Weg des authentischen Fortschritts und der solidarischen Entwicklung nicht allein
für die deutsche Nation, sondern auch für die anderen Völker des Kontinents mit erneutem
Engagement weiter zu verfolgen. Die Jungfrau Maria, die den Heiligen Drei Königen,
als sie nach Betlehem gekommen waren, um den Retter anzubeten, das Jesuskind zeigte,
möge weiterhin so für uns eintreten, wie sie schon seit Jahrhunderten von den vielen
in den Bundesländern verstreuten Wallfahrtsorten aus über das Deutsche Volk wacht.
Der Herr segne Sie alle, die Sie hier zugegen sind, sowie auch alle Pilger und die
Bewohner des Landes. Gott schütze die Bundesrepublik Deutschland!