Eine Delegation aus Kirche und Politik begrüßte den Papst am Flughafen Köln-Bonn.
Unter ihnen Kardinal Karl Lehmann, der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz,
der Kölner Kardinal Joachim Meisner und Jugendbischof Franz-Josef Bode. Auch Kölns
Oberbürgermeister Fritz Schramma. Hunderte jubelnder Jugendlicher begleiten die Begrüßungszeremonie
mit Applaus und "Be-ne-detto"-Rufen.
Bundespräsident Horst Köhler sagte,
die Wahl Josef Ratzingers zum Papst habe "historische Bedeutung". Köhler betonte,
die lebendige und unvzerzichtbare Rolle der Kirchen in der deutschen Gesellschaft.
Der Weltjugendtag solle ein "unübersehbares Zeichen" sein für einen "menschenfreundlichen
Glauben".
Wir dokumentieren hier die Begrüßungsrede Horst Köhlers im Wortlaut:
Willkommen in der Heimat, Willkommen in Deutschland! Wir alle hier begrüßen Sie
ganz herzlich. Wir freuen uns, dass Sie da sind. Wir freuen uns, dass Sie Ihre
erste Reise hierher nach Deutschland unternehmen. Das ist ein Freudentag für uns alle. Der
Weltjugendtag, zu dem Sie eingeladen haben, ist ein ganz wunderbarer Anlass. Ich finde
es großartig, dass so viele junge Menschen bei uns zu Gast sind. Es bewegt uns
besonders, und das kann ich auch als protestantischer Christ sagen, dass ein Deutscher,
also einer von uns, Papst geworden ist. Ich sage es Ihnen heute noch einmal, hier
in der Heimat: Wir wünschen Ihnen für Ihr hohes Amt alles Gute und Gottes Segen. Ihre
Wahl zum Papst ist von historischer Bedeutung: Nach dem Papst aus Polen, das als
erstes Land im Zweiten Weltkrieg von Deutschland überfallen wurde, ist nun jemand
aus der sogenannten Flakhelfergeneration zum Nachfolger des Heiligen Petrus gewählt
worden. Dass es so gekommen ist, das gibt mir Zuversicht – sechzig Jahre nach dem
Ende der menschen- und gottfeindlichen Ideologie, die in Deutschland herrschte. Das
ist auch weltweit als ein Zeichen der Versöhnung begriffen worden – und ich darf verraten,
dass mich nur wenige Minuten nach Ihrer Wahl als erster der polnische Staatspräsident
Kwaśniewski angerufen hat, um uns zu gratulieren. Heiliger Vater, vor bald
fünfzig Jahren haben Sie hier ganz in der Nähe, an der Universität Bonn, als ganz
junger Theologieprofessor Ihre akademische Karriere begonnen. Ihre Weise der Auslegung
des Glaubens hat Ihre Hörer damals begeistert – und seitdem ist Ihr Ruf in der Wissenschaft
ständig gewachsen. Der Glaube und die Theologie sind für Sie nie eine weltfremde Sache
der akademischen Zirkel gewesen. Immer haben Sie dafür Sorge getragen, dass die zentralen
Aussagen des Glaubensbekenntnisses auch für die säkulare Kultur und die Politik relevant
werden. Das konnte nicht ohne Widerspruch bleiben. Aber Widerspruch ist Ihnen
mit Recht lieber als Gleichgültigkeit. Auch die Sätze des Glaubens sollen ja Salz
der Erde sein. So haben auch Gelehrte aus aller Welt das Gespräch gerade mit Ihnen
gesucht, vor nicht langer Zeit erst Ihr Generationengenosse Jürgen Habermas. Ich
denke, es ist auch eine Auszeichnung für die deutsche Theologie, ja für die deutsche
Geisteswissenschaft insgesamt, dass einer aus ihren Reihen vom Katheder auf die cathedra
Petri gewählt worden ist. Als Sie 1992 in die ruhmreiche Akademie des Institut
de France aufgenommen wurden, als Nachfolger des großen Andrej Sacharow, sagten
Sie über ihn: Er war mehr als ein bedeutender Gelehrter, er war ein großer Mensch.
Auch bei Ihnen verbinden sich Gelehrsamkeit und Weisheit. Und so suchen und finden
die Menschen – weit über die katholische Kirche hinaus – in Ihnen eine moralische
Autorität. Heiliger Vater, Sie kommen in ein Land, in dem die christlichen
Kirchen eine lebendige Rolle spielen. Ich bin froh darüber. Ich denke zum Beispiel
an die katholischen und evangelischen Jugendverbände. Viele werfen ja Jugendlichen
heute mangelndes Engagement oder Fixierung aufs eigene Ego vor. Damit können aber
die vielen tausend ehrenamtlichen Jugendgruppenleiter nicht gemeint sein, die bei
den Pfadfindern, bei der Katholischen Jungen Gemeinde, beim CVJM oder anderswo Verantwortung
für Kinder oder gleichaltrige Jugendliche übernehmen. Viele junge Menschen erfahren
dort, wie wertvoll es ist, sich für andere einzusetzen – und wie erfüllend das sein
kann. Gerade in der kirchlichen Jugendarbeit erfahren junge Menschen Werte und
üben verantwortliches Verhalten ein, das für die ganze Gesellschaft lebenswichtig
ist. Orientierung, nach der heute so viel gerufen wird, kann nur von Orientierten
kommen. Ich habe den Eindruck, dass in der Jugendarbeit der Kirchen hier sehr viel
Gutes, ja Unverzichtbares geschieht. In ihrem sozialen Engagement lassen sich die
Kirchen von einem bestimmten Menschenbild leiten. Es ist das Bild vom Menschen, das
nicht vom Pragmatismus und nicht vom Materialismus geprägt wird. Es sagt uns: Der
Mensch lebt nicht vom Brot allein. Und der Mensch kommt nur am anderen, nur durch
den anderen zu sich selber. Freiheit, Personalität und Solidarität gehören zusammen.
So wird es in der Katholischen Soziallehre mit Recht gelehrt. Deswegen ist die karitative
und diakonische Arbeit der Kirchen weit mehr als ein gesellschaftliches Reparaturunternehmen.
In diesem Engagement wird immer auch eine politische Aufforderung sichtbar: Nämlich
die Schwachen, die Kranken, die Sterbenden, die Wettbewerbsverlierer nicht aus den
Augen zu verlieren. Alle verbalen Appelle an Solidarität gewinnen Überzeugungskraft
erst durch das tatkräftige Engagement, die tatkräftige Nächstenliebe. Diese tatkräftige
Nächstenliebe und der Einsatz für eine gerechte Gesellschaft sind in den Kirchen hierzulande,
wie ich immer wieder erlebe, sehr groß. Die ehrenamtlichen Laien, die hingebungsvoll
ihren freiwilligen Dienst tun, haben deswegen gerade den Zuspruch ihrer Kirchenleitungen
verdient – und den Dank von uns allen. Heiliger Vater, Sie kommen zum Weltjugendtag,
zu dem noch Ihr Vorgänger, der unvergessene Johannes Paul II., die Jugend der Welt
eingeladen hatte. Der Weltjugendtag soll ein Zeichen der Hoffnung sein. Die weltweite
Solidarität der jungen Menschen kann vieles Gute möglich machen. Sie macht uns die
Verantwortung bewusst für die Eine Welt, in der wir leben. Aber beim Weltjugendtag
geht es, wie ich weiß, nicht zuerst um Aktionsprogramme oder Theoriediskussionen.
Es geht um Spiritualität, um geistliche Erfahrung, um Gebet und um die Feier des Glaubens.
Veränderung, wirkliche Veränderung, setzt immer die Umkehr der Herzen voraus. Mit
ihrer Offenheit und ihrer Suche nach Orientierung geben die vielen hunderttausend
Jugendlichen gerade auch uns Älteren ein Zeichen der Hoffnung und der Zuversicht.
Ich habe es in den vergangenen Tagen schon selber erlebt. Gerade in diesen Zeiten,
in denen viele Menschen Angst haben vor Terror und vor Gewalt, die aus angeblich religiösen
Motiven verübt wird, ist es gut, Glaube und Religion als Wege zu Frieden und Menschlichkeit
zu erfahren. Sie, Heiliger Vater, haben selber mehrfach davon gesprochen, dass es
„Pathologien“, dass es Irrwege der Religion gibt – auch im Christentum –, so wie es
Irrwege der aufgeklärten Vernunft gibt. Beide, Religion und Vernunft, müssen sich
gegenseitig immer wieder korrigieren und reinigen, wie Sie sagen. Ich hoffe, dass
dieser Weltjugendtag, zu dem Sie eingeladen haben, ein unübersehbares Zeichen für
einen menschlichen, einen menschenfreundlichen Glauben gibt. Für einen Glauben, dem
die Welt und die Menschen nicht gleichgültig sind, für einen Glauben, der davon zeugt,
dass wir alle Gottes Kinder sind in dieser Einen Welt. Noch einmal: Herzlich Willkommen,
Papst Benedikt!