Die türkische Regierung hat den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. massiv unter
Druck gesetzt und damit eine missbilligende Reaktion Washingtons hervorgerufen. Der
Patriarch von Konstantinopel wurde vom türkischen Vizepremier Mehmet Ali Sahin beschuldigt,
seine "Befugnisse zu überschreiten" und gegen seine Verpflichtungen als türkischer
Staatsbürger zu verstoßen; man werde die "vorgesehenen gesetzlichen Bestimmungen"
gegen ihn in Anwendung
bringen, lautete die Drohung.
Ausgangspunkt der
neuen Eskalation war eine Auseinandersetzung um das traditionelle Ferienlager für
christliche Kinder auf der Prinzeninsel Proti im Marmara-Meer. Für die Abhaltung des
Ferienlagers wäre eine behördliche Genehmigung notwendig gewesen, die wochenlang hinausgezögert
wurde. Alle Eingaben aus dem Büro des Patriarchen blieben ergebnislos. Am Freitagmorgen
wurde schließlich mitgeteilt, dass der Gouverneur von Istanbul in den Urlaub verreist
sei, ohne eine Entscheidung zu treffen. Daraufhin setzte Bartholomaios I. eine "symbolische"
Eröffnung des Kinderlagers auf Proti für Freitag an - wenn auch ohne Kinder. An dieser
"symbolischen" Eröffnung nahm u.a. auch der armenisch-apostolische Patriarch von Istanbul,
Mesrob Mutafyan, teil. Der Ökumenische Patriarch führte bei der "Eröffnung" Beschwerde
über die "bürokratischen Schikanen": "Was hat der Staat gewonnen, wenn
unsere
Kinder nicht Ferien machen können?", so Bartholomaios wörtlich. Vizepremier Sahin
reagierte in einem Zeitungsinterview mit dem Vorwurf, Bartholomaios I. habe die "Grenzen
überschritten" und würde "mehr verlangen, als ihm zusteht". Das US-Außenministerium
hat das Vorgehen der türkischen Regierung im Zusammenhang mit dem Kinderlager bereits
bedauert und volle Religionsfreiheit eingemahnt. (kap 2. 8. 05 lw)