Einhundert Tage sind es heute, dass Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI. ist. Am 19.
April wurde der Dekan des Kardinalskollegiums von den im Konklave versammelten Kardinälen
zum Nachfolger Petri gewählt. Viel ist seitdem geschehen...
Applaus brandete
auf dem Petersplatz auf, als am Abend des 19. April, nach dem vierten Wahlgang weißer
Rauch aus dem Kamin auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle stieg. Und der Applaus steigerte
sich natürlich noch viel mehr, als einige Zeit später die Fenster an der zentralen
Loggia des Petersdomes aufgingen und der Kardinalprotodiakon heraustrat mit den berühmten
Worten: "Annuntio vobis gaudium magnum! Habemus papam! Eminentissimum ac reverendissimum
Dominum Dominum Josephum Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinalem Ratzinger qui sibi nomen
imposuit Benedicti XVI." Es dauerte nicht lange, bis der neue Papst dann auf die
Loggia trat - und seine ersten Worte an die Versammelten richtete. Geschafft klang
seine Stimme, als er sagte: "Nach dem großen Papst Johannes Paul II. haben die Herren
Kardinäle mich gewählt, einen einfachen, demütigen Arbeiter im Weinberg des Herrn." In
einer ersten Ansprache in lateinischer Sprache am Tag nach seiner Wahl gab Papst Benedikt
sozusagen eine erste Regierungserklärung ab. Christus muss immer im Mittelpunkt stehen.
Dialog ist wichtig - in der Kirche wie auch mit den anderen Konfessionen und Religionen,
aber auch mit den Nichtglaubenden. Und: "Liebe Jugendliche, ich will den Dialog mit
euch fortsetzen!" Eine wichtige Aussage, vor allem, da der Papst im August zum Weltjugendtag
in Köln erwartet wird. Der Papst wurde sofort mit großer Begeisterung aufgenommen
- bei seiner Amtseinführung am Sonntag darauf waren unzählige Menschen anwesend, Millionen
verfolgten sie an den Fernsehschirmen. Am Tag darauf empfängt der Papst deutschsprachige
Pilger - und mit seiner spontanen Rede erobert er nicht nur die beifallklatschenden
Anwesenden, sondern wegen einer Bemerkung auch die italienische Presse: "Zunächst
einmal muss ich vielmals um Entschuldigung bitten für meine Verspätung. Die Deutschen
sind berühmt für ihre Pünktlichkeit. Es scheint, dass ich schon sehr italianisiert
bin!" In der Audienz spricht Benedikt auch über seine Gedanken während der Papstwahl,
freilich, das unterstreicht er ausdrücklich, ohne Konklavegeheimnisse zu verraten:
"Als langsam der Gang der Abstimmungen mich erkennen ließ, dass sozusagen das
Fallbeil auf mich herabfallen würde, war mir ganz schwindelig zumute. Ich hatte nämlich
geglaubt, mein Lebenswerk getan zu haben und jetzt auf einen ruhigen Ausklang meiner
Tage hoffen zu dürfen. Deswegen habe ich mit tiefer Überzeugung zum Herrn gesagt:
Tu mir das nicht an! Du hast Jüngere und Bessere, die mit ganz anderem Elan und ganz
anderer Kraft an diese Aufgabe herantreten können. In dieser Situation, wo mir der
Herr offenbar nicht zuhörte..." Die Ereignisse danach überschlagen sich: Der Papst
besucht der Reihe nach die drei anderen Patriarchalbasiliken, seine Sommerresidenz
Castel Gandolfo. Er verkürzt die Wartezeit für den Seligsprechungsprozess für Johannes
Paul II., der dann auch einige Zeit später erlffnet wird, er stellt die Kurzfassung
des Katechismus der Katholischen Kirche vor und besucht den italienischen Staatspräsidenten
offiziell im Quirinalspalast. Seine Regina Coeli- und Angelus-Gebete am Sonntag
auf dem Petersplatz entwickeln sich zu Publikumsmagneten; oft findet man nicht einmal
mehr Platz auf den überfüllten Pflastersteinen. Lautstark protestiert Benedikt XVI.
gegen die terroristischen Attentate und bricht bei einer Ansprache in der Lateranbasilika
und beim Nationalen Eucharistischen Kongress in Bari eine Lanze für die Familie und
das Leben. Er empfängt Delegationen anderer Konfessionen und Religionen, trifft sich
dezidiert mit einer Gruppe Juden und weiht Priester für die Diözese Rom. Seligsprechungen,
lässt er verkünden, wird er selbst nicht mehr durchführen, die werden in die Hände
von Kardinälen gelegt. Bei der Projektion eines Films über das Leben von Papst Johannes
Paul II. bezeichnet es Benedikt XVI. als Wirken der Vorsehung, dass auf einen polnischen
Papst einer aus Deutschland gefolgt ist: "Wo sich das nazistische Regime gewaltsam
manifestieren konnte und von wo aus es dann die Nachbarnationen angriff, unter diesen
besonders Polen. Wir beiden Päpste haben in unserer Jugend - wenn auch an verschiedenen
Fronten, in unterschiedlichen Situationen - die Barbareien des Zweiten Weltkriegs
kennengelernt und die unerhörte Gewalt von Menschen gegen ihresgleichen." Benedikt
erklärt selbst: Sein Name ist für ihn Programm - der Friedenspapst Benedikt XV., der
den 1. Weltkrieg zu verhindern versuchte: "Die Wahl meines Namens knüpft aber auch
an den heiligen Benedikt von Nursia an, den Vater des abendländischen Mönchtums und
Mitpatron Europas." Einige wichtige Ernennungen für den deutschen Sprachraum hat
Benedikt in seinen 100 Tagen auch bereits getätigt: Einen neuen Bischof für Linz,
einen für Augsburg sowie einen neuen Nuntius in Österreich. Wenn der deutsche Papst
aus seinem Urlaub zurückkehrt, wird er wahrscheinlich noch mehr Ernennungen im Gepäck
haben - und vor allem seine erste Enzyklika, auf die man allenthalben gespannt ist.
Für den Erdkreis interessiert sich Benedikt schließlich sehr - was man nicht nur daran
sieht, dass er sich sehr bemüht, so viele Sprachen wie möglich zu sprechen... Es
bleibt nur noch eines zu sagen: Ad multos annos, Heiliger Vater! (rv 27. 7. 05
lw)