Tausende Muslime haben sich gestern Nachmittag in den Moscheen Londons zum Freitagsgebet
getroffen. Imame und sonstliche Verantwortliche der islamischen Glaubensgemeinschaft
verurteilten die Anschläge, bei denen am Donnerstag mindestens 50 Menschen getötet
und 700 verletzt wurden. Sheik Achraf Salah, Leiter der zentralen Moschee von Regent's
Street betonte, die Gebete und das Beileid aller Muslime sei auf alle Opfer des "schrecklichen
terroristischen Attentats" gielten allen Opfern. Und wörtlich: "Jeder Angriff ist
ein Angriff gegen uns alle." In der Moschee im Londoner Osten forderte der Vorbeter
die Gläubigen auf, in "unserer Identität" als Teil der multikulturellen Gesellschaft
Londons zu stehen. Die Verantwortlichen der Moschee im Finsbury Park, wo erst letztes
Jahr ein radikaler Geistlicher verhaftet worden waren, riefen die Verantwortlichen
auf, mit allen Mitteln zur Aufklärung des Verbrechens beizutragen. Inzwischen ist
ein weiteres Bekennerschreiben für die Anschläge aufgetaucht. Auf einer Internetseite
behauptet eine angeblich von Al Qaida abhängige Gruppe namens Abu Hafs al Masri Brigade
für die Anschläge verantwortlich zu sein. Fachleute zweifeln allerdings an der Echtheit
des Schreibens. Religion als Hintergrund für Terror und Gewalt - ein Thema, das im
Angesicht dieser Anschläge immer wichtiger wird. Werner Freistetter ist Leiter des
Instituts für Religion und Frieden beim österreichischen Militärbischofsamt. Er sagt,
eine Religion beziehungsweise echte Religiosität kann niemals Grund für einen Terroranschlag
sein: "Religion wird insofern instrumentalisiert und eingesetzt als eine Ideologie,
die tatsächlich über Leichen geht. Der Terrorismus ist ja an sich nichts Neues. Wir
hatten in den 70er Jahren in Europa, in Deutschland und Italien, den linken Terrorismus.
Ich denke, dass Terrorismus immer dort eine Gefahr ist und entstehen kann, wo eine
Unduldsamkeit entsteht aus konkreten Problemen heraus, in der man bestimmte Ziele
verfolgen will, ohne Rücksicht auf Menschen. Dass die Religion hier gebraucht und
missbraucht werden kann, ist leider eine Erfahrung, die wir immer wieder machen müssen.
Aber ich glaube, es ist im Grunde Ausdruck von Unglauben! Denn wenn ich wirklich ernsthaft
an Gott und an Vorsehung glaube, wie es ja im Islam und im Christentum gemeinsam der
Fall ist, dann muss ich ganz einfach auch etwas der Vorsehung Gottes überlassen. Das
heißt, eigentlich ist es ein Ansatz des Unglaubens, weil ich davon ausgehe, dass ich
eine Situation nur mit Gewalt erzwingend sozusagen, ändern kann." (rv 9. 7.
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