2005-07-03 16:24:42

Vatikan: Kasper, Keine "Allianz" mit Orthodoxen


"Die Atmosphäre war freundlich und höflich; ich würde sie jetzt nicht als warm bezeichnen". Das sagt der vatikanische Ökumene-Kardinal Walter Kasper über seine Gespräche in Moskau. Im Patriarchat der russisch-orthodoxen Kirche hat er dabei vor zwei Wochen vor allem mit dem Smolensker Metropoliten Kyrill verhandelt. In seinem einzigen Interview seit der Rückkehr aus Moskau äußert sich Kasper auch über die orthodoxe Delegation, die letzte Woche in Rom an den Feiern zum Fest Peter und Paul teilnahm. Hier ein Transkript unseres Gesprächs mit Kardinal Kasper:
* Herr Kardinal, eine orthodoxe Delegation des Ökumenischen Patriarchats war gerade hier zum Peter- und Paulsfest. Wie war die Stimmung? War es eine brüderliche Begegnung?
"Es war eine sehr brüderliche Begegnung. Das ist ja auch sehr eingeübt, wir tun das seit Jahrzehnten. Es war dieses Mal besonders schön; erstens sind sie zum ersten Mal dem neuen Papst begegnet – eine sehr schöne Begegnung; zweitens konnten sie jetzt offiziell mitteilen, dass wir den internationalen Dialog mit allen orthodoxen Kirchen im Herbst wieder aufnehmen können. Das war wirklich eine gute Botschaft."
* Welche Themen werden denn bei dem internationalen ökumenischen Dialog auf dem Programm stehen?
"Es geht um „Kirche – was heißt das überhaupt?“, Kirchengemeinschaft, und in diesem Zusammenhang um die zentrale Frage mit der Orthodoxie, nämlich den Primat, das Petrusamt. In diesem Kontext kann man dann auch wieder die Frage der sogenannten unierten Kirchen aufgreifen. Ich denke, das sind die Fragen, die jetzt anstehen. Das wird keine leichte Diskussion sein, aber wir greifen jetzt endlich die Probleme auf, die zwischen uns stehen."
* Ein Thema wie das der unierten Kirchen klingt ja doch sehr nach konkreten Schritten...
"Die unierten Kirchen sind immer in diesen Dialog einbezogen gewesen. Das wird auch anerkannt. Aber da sind eben auch einfach historische Belastungen da, und es braucht Zeit, das aufzuarbeiten. Es ist jetzt eine Stimmung da, die es erlaubt, offen über die Dinge zu sprechen."
*Der Papst hat in seiner Ansprache auch den Rückbesuch, den die römische Kurie in Konstantinopel zum Andreasfest machen wird, angesprochen. Wird er da vielleicht auch selbst dabei sein?
"Das ist im Augenblick noch offen. Der Papst möchte gerne einen Besuch machen. Ob das jetzt dieses Jahr schon möglich ist, das wird man erst sehen müssen. Auf jeden Fall hat der Papst hier Interesse, vor allem in erster Linie mit Konstantinopel, das ja einen Ehrenvorrang hat unter den orthodoxen Kirchen, Beziehungen zu haben."
*Wie ist denn die Situation des Patriarchats von Konstantinopel an sich in der Türkei. Es hat ja eine doch nicht gerade einfache Stellung, oder?
"Das ist sehr schwierig. Die Türkei ist mehrheitlich ein muslimisches Land, obwohl es ein säkularer Staat ist. Da hat der Patriarch durchaus seine Schwierigkeiten. Wir versuchen, ihn zu unterstützen, so gut wir das können."
* Dann würde ich gerne auf Ihre Moskau-Reise kommen. Könnten Sie uns kurz erklären, worum es da eigentlich ging? Was war der Anlass, mit wem haben Sie sich getroffen?
"Aus Anlass des Todes von Papst Johannes Paul II. und der Amtseinführung des gegenwärtigen Papstes war ja jeweils eine hohe Delegation der russisch-orthodoxen Kirche da, und bei der Amtseinführung war auch eine Begegnung mit dem neuen Papst. Dabei sind sehr interessante Fragen aufgetaucht; und ich dachte, diese Fragen gilt es nun zu vertiefen: Wie können wir weitermachen in diesem nicht ganz einfachen Verhältnis mit der russisch-orthodoxen Kirche? Das war der Grund meiner Reise nach Moskau – es ging also um eine Erkundigungsreise. Deshalb war gar nicht vorgesehen, den Patriarchen selber zu treffen, sondern den Metropoliten Kyrill, der den Vorsitz im Amt für die Außenbeziehungen innehat. Diesen habe ich in erster Linie getroffen und ein Gespräch mit ihm geführt über die Perspektiven der künftigen gemeinsamen Arbeit."
* Wie war die Atmosphäre dieser Gespräche?
"Die Atmosphäre war freundlich und höflich; ich würde sie jetzt nicht als warm bezeichnen, aber durchaus freundlich, höflich und brüderlich. Wir haben darüber gesprochen, wo wir zusammenarbeiten können, vor allem auf kulturellem und sozialem Gebiet, auch wie wir gemeinsam Zeugnis geben können gegen die moderne Säkularisation. Da sind Begegnungen möglich. Wir haben auch darüber gesprochen, dass es wünschenswert wäre, dass Begegnungen zwischen Klöstern stattfinden, denn das Mönchtum spielt ja in der orthodoxen Kirche eine ganz besondere Rolle. In dieser Richtung wollen wir also weitermachen. Außerdem wird sich die russisch-orthodoxe Kirche am internationalen Dialog beteiligen. Insofern haben wir durchaus eine positive Perspektive."
* Papst Benedikt XVI. hat in Bari, vorher bereits auch, und jetzt beim Besuch des Patriarchats von Konstantinopel von konkreten Gesten und neuen Schritten in der Ökumene gesprochen. Was wäre denn da vorstellbar?
"Wir haben von russischer Seite in letzter Zeit öfter auf inoffizieller Weise von einer „Allianz“ gehört. Dieses Wort ist in Moskau nicht gefallen – weder von russisch-orthodoxer, noch von unserer Seite. Es ist auch ein schwieriger Begriff. Ich habe vor allem darauf aufmerksam gemacht: Wenn man gemeinsam zusammenarbeiten will, dann muss auch die öffentliche Polemik zwischen den Kirchen aufhören, vor allem dieser dauernde Vorwurf des Proselytismus; wir halten das für ungerecht. Wir haben schon öfters der russisch-orthodoxen Kirche gesagt: Das ist nicht unsere pastorale Strategie, das ist nicht unsere Politik; es mag einzelne Fälle geben, darüber kann man dann sprechen, das kann man dann auch abstellen, aber das ist von uns nicht in dieser Weise intendiert. Wir hoffen, dass wir jetzt zuerst einmal diese öffentliche Polemik, die niemandem nützt, die nur denen nützt, die gegen die Kirche überhaupt sind, zu Ende kommt. Dann kann man weiterreden.
Was die konkreten Zeichen angeht: Ich glaube nicht, dass es spektakuläre Dinge sind. Da sind viele kleine Schritte, vor allem Begegnungen untereinander, notwendig."
* Es ging ja auch um katholisch-orthodoxe Beziehungen in der Ukraine. Was sagt man da in Moskau dazu?
"Ich habe von vornherein gesagt: Ich bin nicht dazu da, über die Verhältnisse in der Ukraine zu verhandeln. Ich habe da geraten, dass die russisch-orthodoxe Kirche direkt mit dem Kardinal Husar spricht. Das ist eine Kirche eigenen Rechts, die kann und will für sich selber sprechen. Von russisch-orthodoxer Seite wurde dann die Frage des Umzugs des Kardinals von Lemberg nach Kiev angesprochen. Sie sehen das nicht sehr gerne, sie haben da große Probleme, vor allem politischer Art. Aber ich muss meinerseits das Recht einer Kirche anerkennen, dass sie ihren Sitz dort hat, wo sie ihn für richtig ansieht. Das ist gegen niemanden gerichtet, das ist vor allem nicht gegen den orthodoxen Metropoliten in Kiev gerichtet, das ist eine interne Frage dieser Kirche. Wir müssen da die russisch-orthodoxe Kirche bitten, das dann auch zu respektieren."
* Ist denn denkbar, dass sich Papst Benedikt XVI. und Patriarch Alexij II. einmal treffen werden? In Moskau oder in Rom?
"Darüber wurde nicht gesprochen. Der Standpunkt der russisch-orthodoxen Kirche ist unverändert, und der ist ja auch bekannt: Sie wollen, dass man erst die Probleme löst und dann ist eine Begegnung des Patriarchs mit dem Papst ihrer Meinung nach möglich."
(rv 03.07.05 lw)







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