"Die Atmosphäre war freundlich und höflich; ich würde sie jetzt nicht als warm bezeichnen".
Das sagt der vatikanische Ökumene-Kardinal Walter Kasper über seine Gespräche in Moskau.
Im Patriarchat der russisch-orthodoxen Kirche hat er dabei vor zwei Wochen vor allem
mit dem Smolensker Metropoliten Kyrill verhandelt. In seinem einzigen Interview seit
der Rückkehr aus Moskau äußert sich Kasper auch über die orthodoxe Delegation, die
letzte Woche in Rom an den Feiern zum Fest Peter und Paul teilnahm. Hier ein Transkript
unseres Gesprächs mit Kardinal Kasper: * Herr Kardinal, eine orthodoxe Delegation
des Ökumenischen Patriarchats war gerade hier zum Peter- und Paulsfest. Wie war die
Stimmung? War es eine brüderliche Begegnung? "Es war eine sehr brüderliche Begegnung.
Das ist ja auch sehr eingeübt, wir tun das seit Jahrzehnten. Es war dieses Mal besonders
schön; erstens sind sie zum ersten Mal dem neuen Papst begegnet – eine sehr schöne
Begegnung; zweitens konnten sie jetzt offiziell mitteilen, dass wir den internationalen
Dialog mit allen orthodoxen Kirchen im Herbst wieder aufnehmen können. Das war wirklich
eine gute Botschaft." * Welche Themen werden denn bei dem internationalen ökumenischen
Dialog auf dem Programm stehen? "Es geht um „Kirche – was heißt das überhaupt?“,
Kirchengemeinschaft, und in diesem Zusammenhang um die zentrale Frage mit der Orthodoxie,
nämlich den Primat, das Petrusamt. In diesem Kontext kann man dann auch wieder die
Frage der sogenannten unierten Kirchen aufgreifen. Ich denke, das sind die Fragen,
die jetzt anstehen. Das wird keine leichte Diskussion sein, aber wir greifen jetzt
endlich die Probleme auf, die zwischen uns stehen." * Ein Thema wie das der unierten
Kirchen klingt ja doch sehr nach konkreten Schritten... "Die unierten Kirchen sind
immer in diesen Dialog einbezogen gewesen. Das wird auch anerkannt. Aber da sind eben
auch einfach historische Belastungen da, und es braucht Zeit, das aufzuarbeiten. Es
ist jetzt eine Stimmung da, die es erlaubt, offen über die Dinge zu sprechen." *Der
Papst hat in seiner Ansprache auch den Rückbesuch, den die römische Kurie in Konstantinopel
zum Andreasfest machen wird, angesprochen. Wird er da vielleicht auch selbst dabei
sein? "Das ist im Augenblick noch offen. Der Papst möchte gerne einen Besuch machen.
Ob das jetzt dieses Jahr schon möglich ist, das wird man erst sehen müssen. Auf jeden
Fall hat der Papst hier Interesse, vor allem in erster Linie mit Konstantinopel, das
ja einen Ehrenvorrang hat unter den orthodoxen Kirchen, Beziehungen zu haben." *Wie
ist denn die Situation des Patriarchats von Konstantinopel an sich in der Türkei.
Es hat ja eine doch nicht gerade einfache Stellung, oder? "Das ist sehr schwierig.
Die Türkei ist mehrheitlich ein muslimisches Land, obwohl es ein säkularer Staat ist.
Da hat der Patriarch durchaus seine Schwierigkeiten. Wir versuchen, ihn zu unterstützen,
so gut wir das können." * Dann würde ich gerne auf Ihre Moskau-Reise kommen. Könnten
Sie uns kurz erklären, worum es da eigentlich ging? Was war der Anlass, mit wem haben
Sie sich getroffen? "Aus Anlass des Todes von Papst Johannes Paul II. und der Amtseinführung
des gegenwärtigen Papstes war ja jeweils eine hohe Delegation der russisch-orthodoxen
Kirche da, und bei der Amtseinführung war auch eine Begegnung mit dem neuen Papst.
Dabei sind sehr interessante Fragen aufgetaucht; und ich dachte, diese Fragen gilt
es nun zu vertiefen: Wie können wir weitermachen in diesem nicht ganz einfachen Verhältnis
mit der russisch-orthodoxen Kirche? Das war der Grund meiner Reise nach Moskau – es
ging also um eine Erkundigungsreise. Deshalb war gar nicht vorgesehen, den Patriarchen
selber zu treffen, sondern den Metropoliten Kyrill, der den Vorsitz im Amt für die
Außenbeziehungen innehat. Diesen habe ich in erster Linie getroffen und ein Gespräch
mit ihm geführt über die Perspektiven der künftigen gemeinsamen Arbeit." * Wie
war die Atmosphäre dieser Gespräche? "Die Atmosphäre war freundlich und höflich;
ich würde sie jetzt nicht als warm bezeichnen, aber durchaus freundlich, höflich und
brüderlich. Wir haben darüber gesprochen, wo wir zusammenarbeiten können, vor allem
auf kulturellem und sozialem Gebiet, auch wie wir gemeinsam Zeugnis geben können gegen
die moderne Säkularisation. Da sind Begegnungen möglich. Wir haben auch darüber gesprochen,
dass es wünschenswert wäre, dass Begegnungen zwischen Klöstern stattfinden, denn das
Mönchtum spielt ja in der orthodoxen Kirche eine ganz besondere Rolle. In dieser Richtung
wollen wir also weitermachen. Außerdem wird sich die russisch-orthodoxe Kirche am
internationalen Dialog beteiligen. Insofern haben wir durchaus eine positive Perspektive." *
Papst Benedikt XVI. hat in Bari, vorher bereits auch, und jetzt beim Besuch des Patriarchats
von Konstantinopel von konkreten Gesten und neuen Schritten in der Ökumene gesprochen.
Was wäre denn da vorstellbar? "Wir haben von russischer Seite in letzter Zeit öfter
auf inoffizieller Weise von einer „Allianz“ gehört. Dieses Wort ist in Moskau nicht
gefallen – weder von russisch-orthodoxer, noch von unserer Seite. Es ist auch ein
schwieriger Begriff. Ich habe vor allem darauf aufmerksam gemacht: Wenn man gemeinsam
zusammenarbeiten will, dann muss auch die öffentliche Polemik zwischen den Kirchen
aufhören, vor allem dieser dauernde Vorwurf des Proselytismus; wir halten das für
ungerecht. Wir haben schon öfters der russisch-orthodoxen Kirche gesagt: Das ist nicht
unsere pastorale Strategie, das ist nicht unsere Politik; es mag einzelne Fälle geben,
darüber kann man dann sprechen, das kann man dann auch abstellen, aber das ist von
uns nicht in dieser Weise intendiert. Wir hoffen, dass wir jetzt zuerst einmal diese
öffentliche Polemik, die niemandem nützt, die nur denen nützt, die gegen die Kirche
überhaupt sind, zu Ende kommt. Dann kann man weiterreden. Was die konkreten Zeichen
angeht: Ich glaube nicht, dass es spektakuläre Dinge sind. Da sind viele kleine Schritte,
vor allem Begegnungen untereinander, notwendig." * Es ging ja auch um katholisch-orthodoxe
Beziehungen in der Ukraine. Was sagt man da in Moskau dazu? "Ich habe von vornherein
gesagt: Ich bin nicht dazu da, über die Verhältnisse in der Ukraine zu verhandeln.
Ich habe da geraten, dass die russisch-orthodoxe Kirche direkt mit dem Kardinal Husar
spricht. Das ist eine Kirche eigenen Rechts, die kann und will für sich selber sprechen.
Von russisch-orthodoxer Seite wurde dann die Frage des Umzugs des Kardinals von Lemberg
nach Kiev angesprochen. Sie sehen das nicht sehr gerne, sie haben da große Probleme,
vor allem politischer Art. Aber ich muss meinerseits das Recht einer Kirche anerkennen,
dass sie ihren Sitz dort hat, wo sie ihn für richtig ansieht. Das ist gegen niemanden
gerichtet, das ist vor allem nicht gegen den orthodoxen Metropoliten in Kiev gerichtet,
das ist eine interne Frage dieser Kirche. Wir müssen da die russisch-orthodoxe Kirche
bitten, das dann auch zu respektieren." * Ist denn denkbar, dass sich Papst Benedikt
XVI. und Patriarch Alexij II. einmal treffen werden? In Moskau oder in Rom? "Darüber
wurde nicht gesprochen. Der Standpunkt der russisch-orthodoxen Kirche ist unverändert,
und der ist ja auch bekannt: Sie wollen, dass man erst die Probleme löst und dann
ist eine Begegnung des Patriarchs mit dem Papst ihrer Meinung nach möglich." (rv
03.07.05 lw)