2005-06-09 11:37:56

Papst: "Weiter über Shoa nachdenken"


Papst Benedikt XVI. hat dazu aufgerufen, weiter über die "tiefen historischen, moralischen und theologischen Fragen nachzudenken, die die Erfahrung der Shoah aufgeworfen hat". Vor einer hochrangigen jüdischen Delegation bekräftigte der Papst heute vormittag seinen Willen, "die Beziehungen zum jüdischen Volk weiter zu verbessern."

Der Papst erinnerte an das Dokument "Nostra Aetate", in dem vor vierzig Jahren das Zweite Vatikanische Konzil das Verhältnis von Juden und Christen beschrieb. Das Konzil, so der Papst zu der Delegation des Jüdischen Weltkomitees, habe die Überzeugung der Kirche festgeschrieben, dass die Wurzeln ihres Glaubens schon in Abraham, Mose und den Propheten angelegt sei:
"Auf der Grundlage dieses geistlichen Erbes und der Lehre des Evangeliums, rief das Konzil zu einer größeren gegenseitigen Verständigung und Wertschätzung zwischen Christen und Juden auf und beklagte alle Erscheinungsweisen von Hass, Verfolgung und Antisemitismus. Am Beginn meines Pontifikates möchte ich Sie versichern, dass die Kirche entschieden daran festhält, diese entscheidende Lehre in ihrer Katechese und in jedem Aspekt ihres Lebens umzusetzen."
Die Päpste Paul VI. und Johannes Paul II. hätten wichtige Schritte unternommen, um die Annäherung zwischen Juden und Christen zu erreichen, unterstrich Benedikt XVI.
"Es ist mein Wille, diesen Weg fortzusetzen. Die Geschichte der Beziehungen zwischen unseren beiden Gemeinschaften war komplex und oft schmerzhaft. Ich bin aber überzeugt, dass das ,geistliche Erbe', das Christen und Juden hüten, selbst die Quelle der Weisheit und Inspiration ist, die fähig ist, uns zu einer ,Zukunft der Hoffnung' in Übereinstimmung mit dem Plan Gottes zu führen. Gleichzeitig bleibt die Erinnerung der Vergangenheit für beide Seiten ein moralischer Imperativ und eine reinigende Quelle in unseren Anstrengungen, für Versöhnung, Gerechtigkeit, Respekt vor der Menschenwürde und dem Frieden, der letztlich ein Geschenk des Herrn selbst ist. Aus seiner eigenen Natur heraus muss dieser Imperativ eine andauernde Reflexion einschließen, die sich mit den tiefen historischen, moralischen und theologischen Fragen beschäftigt, die die Erfahrung der Shoah vorlegt."
Es war das erste Mal, dass Papst Benedikt XVI. Vertreter der jüdischen Religion traf, seit er sein Amt angetreten hat. Zur Amtseinführung des Papstes hatten die jüdischen Religionsführer absagen müssen, da die Feier just in die Zeit des Pascha-Festes gefallen war. Es war außerdem die erste Audienz für Vertreter anderer Religionen, wenn man von derjenigen absieht, in der Benedikt die Vertreter anderer Religionen empfing, die zu seiner Amtseinführung gekommen waren. Dass die ersten nichtchristlichen Religionsvertreter, die der Papst trifft, Juden sind, ist aber nicht verwunderlich. Schließlich haben Juden und Christen sehr viel gemeinsam, sagt Pater Norbert Hofmann von der Päpstlichen Kommission für den Dialog mit dem Judentum:
"Kardinal Ratzinger hat in einem Artikel im Jahr 2000 geschrieben, dass das Christentum zum Judentum eine besondere Beziehung hat, die nicht vergleichbar ist mit der Beziehung zu den anderen Religionen. Insofern scheint es mir sehr gerechtfertigt, dass die erste Delegation, die er bezüglich anderer Religionen empfängt, die jüdische Delegation ist."
Bereits seit 35 Jahren pflegt das World Jewish Committee den Dialog mit der katholischen Kirche. Ein Mitglied der Delegation ist Rabbi David Rosen, der beim Amerikanischen Jüdischen Komitee für den Interreligiösen Dialog zuständig ist. Er sagt, Benedikt XVI. sei ein Papst, der schon seit langen Jahren mit dem Dialog mit den Juden beschäftigt ist. Und gerade, dass mit dem Papst ein Deutscher auf dem Stuhl Petri sitzt, hat seiner Meinung nach eine Bedeutung:
"Ich denke, das heißt, dass er besonders feinfühlig für die Belange der jüdischen Gemeinschaft ist. Er versteht, weil er es selbst erlebt hat - in einer ähnlichen, wenn auch anderen Art und Weise wie sein Vorgänger -, was das Übel des Antisemitismus ist. Ich denke, er ist in dieser Angelegenheit sehr aufmerksam! Deshalb auch waren die Juden und das Judentum für ihn immer ein wichtiges Thema. Vielleicht bedeutet der Fakt, dass er ein deutscher Papst ist, dass er eine tiefere Verwurzelung in der katholisch-jüdischen Versöhnung und ihrem Fortschritt hat."
Papst Benedikt XVI. traf heute übrigens auch in einer gesonderten Audienz kurze Zeit vor der jüdischen Delegation neben anderen den lateinischen Patriarchen von Jerusalem, den palästinensischen Erzbischof Michel Sabbah.
(rv 9. 6. 05 lw)







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