Die Aufbruchstimmung im Libanon währte nur kurz. Die Gewalt ist zurückgekehrt. Knapp
vier Monate nach dem Mord an Ex-Premierminister Rafik Hariri ist ein bekannter christlicher
Journalist und Syrien-Kritiker ums Leben gekommen. Unter dem Auto von Samir Kassir
war eine Bombe detoniert. Wir haben den in Italien lebenden Journalisten Camille Eid
aus dem Libanon dazu befragt: "Der Presse im Libanon ist es in den vergangenen
15 Jahren syrischer Vorherrschaft gelungen, großem Druck stand zu halten. Samir Kassir
symbolisierte diesen Widerstand, er war dem syrischen Militär bekannt für seine gegnerischen
Positionen. Der Mord an Samir Kassir scheint mir jetzt, nach dem Rückzug der syrischen
Truppen – wenn man so sagen kann – ein wenig fehl am Platz." Am Sonntag gehen
die Wahlen in die zweite Runde. Camille Eid glaubt an gezielte Störmanöver: "Aber
das Attentat soll wohl die politische Landschaft im Libanon durcheinander bringen,
in genau diesem Moment, in dem sie dabei ist, sich weiter zu entwickeln – mit den
Wahlrunden, den ersten nach dem Abzug der Syrer. Offensichtlich sollen auch hier im
christlichen Viertel die Bewohner verunsichert werden. In den vergangen zwei Monaten
gab es vier Anschläge vom selben Typ, und immer in christlichen Gebieten. Diese Tatsache
lässt die Spannungen wieder hochkommen in einen ziemlich kritischen und schwierigen
Moment. Hier wird ein Zustand der Angst unter der Bevölkerung geschürt, und das, während
sich eine neue Regierung bildet, die versucht, sich von den alten Sicherheitsapparaten,
die von Damaskus abhängen, zu befreien." (rv 03.06.05 bp)