Es war eine Premiere für Benedikt XVI.: Der deutsche Papst leitete am Donnerstag Abend
zum ersten Mal die Fronleichnams-Prozession durch das nächtliche Rom. In seiner Predigt
vor der Lateranbasilika rief er die Gläubigen dazu auf, die Frohe Botschaft auf die
Straßen der Welt hinauszutragen. Eucharistie sei nicht nur ein sehr intimes Geschenk
Christi, sie dränge auch zum Hinausgehen. Tutta Roma war versammelt vor der barocken
Fassade von San Giovanni: vom Kardinal bis zum einfachen Kleriker alle geistlichen
Stände fein abgestuft, Gläubige aus allen Pfarreien der Ewigen Stadt, Marienbilder
im XXL-Format, auch eine große deutsche Fahne. Es war Johannes Paul II., der die nächtliche
Fronleichnams-Feier im römischen Zentrum eingeführt hatte, und auch sein Nachfolger
Benedikt machte sie gestern zu einem Stelldichein mit seinem Bistum Rom. Unter den
Kardinälen in der ersten Reihe stand auch der vatikanische Ökumene-Verantwortliche
Walter Kasper, der den Papst etwas besorgt zu beobachten schien; einen Schritt dahinter
die deutschen Vatikanbischöfe Paul Josef Cordes und - mit sehr zufriedenem Gesicht
- Josef Clemens, einstmals Ratzingers Sekretär. Der Papst selbst wirkte ernst, etwas
erschöpft, mit malerisch wehendem Weißhaar. Der Wind ließ das Mikro knattern. "Das
wahre Ziel unseres Wegs ist die Gemeinschaft mit Gott", so der Papst in seiner Predigt.
"Gott selbst ist das Haus mit den vielen Wohnungen. Aber wir können zu diesem Haus
nur aufsteigen, wenn wir nach Galiläa gehen - also hinaus auf die Straßen der Welt,
indem wir das Evangelium zu allen Völkern tragen, das Geschenk seiner Liebe allen
Menschen aller Zeiten bringen." Eucharistie - das sei ein sehr intimes Geschenk
Jesu an seine Kirche, ein Geschenk der Stille und Einsamkeit. Aber nicht nur. "Aus
dieser Intimität heraus, die ein sehr persönliches Geschenk des Herrn ist, übersteigt
die Kraft des Eucharistie-Sakraments die Mauern unserer Kirchen. In diesem Sakrament
ist der Herr immer unterwegs zur Welt. Dieser universelle Aspekt der eucharistischen
Präsenz zeigt sich in unserer festlichen Prozession. Wir tragen Christus in der Gestalt
des Brotes über die Straßen unserer Stadt. Wir vertrauen diese Straßen, diese Häuser,
unser tägliches Leben seiner Güte an. Mögen unsere Straßen Wege für Jesus sein!" Eine
theologisch sehr kondensierte Predigt, Beifall erst ganz am Schluß. Papst Benedikt
hat sie wohl selbst geschrieben, denn eine Formulierung über Maria erinnert sehr an
seine spontane Ansprache auf deutsch letzten Dienstag im römischen "Campo Santo".
In den Texten der Meßfeier wird immer wieder an Italiens Nationalen Eucharistischen
Kongreß von Bari erinnert - der Papst wird ihn an diesem Sonntag mit einer Messfeier
in der Hafenstadt feierlich beschließen. Ein prachtvolles Bild ist dann die Prozession,
die sich in Richtung Santa Maria Maggiore in Bewegung setzt - Bruderschaften in ihren
historischen Trachten, viele Menschen mit Kerzen in der Hand, Papst Benedikt mit dem
Allerheiligsten gut sichtbar auf einem kleinen Wagen, der mit Girlanden geschmückt
ist. Vor Santa Maria Maggiore dann noch ein "Tantum ergo" und der Eucharistische Segen
des Papstes. Schnell noch ein Winken, ein zaghaftes "Viva il Papa" aus der Menge,
dann verschwindet der scheue Papst auch schon wieder. Zehn Minuten später rollt sein
Wagen über den festlich erleuchteten Petersplatz. Und wieder ist klar geworden: Dieser
Pontifex nimmt sich sehr zurück und versucht, die Aufmerksamkeit auf das Eigentliche
der Liturgie zu lenken. (rv 27.05.05 sk)