Im Erzbistum Paris geht eine Ära zu Ende. Der Papst hat den Rücktritt von Kardinal
Jean-Marie Lustiger aus Gesundheitsgründen angenommen und den Erzbischof von Tours,
André Vingt-Trois, zu seinem Nachfolger ernannt. Lustiger hatte gemäß Kirchenrecht
vor drei Jahren dem Papst seinen Rücktritt angeboten. "Der Heilige Vater wollte sich
alle Zeit nehmen, die ihm notwendig schien, um zu überlegen, zu beten und den neuen
Erzbischof von Paris zu benennen", schreibt der Kardinal in einer Botschaft an die
Katholiken der französischen Hauptstadt. Der 62jährige Vingt-Trois gilt als geistiger
Ziehsohn Lustigers. In Paris geboren und aufgewachsen, ist der umgängliche Kirchenmann
derzeit auch französischer Familienbischof. Gegenüber Radio Vatikan sagte der neue
Oberhirte von Paris:
"Ich habe Kardinal Lustiger sehr viele Dinge meines Priesterlebens zu verdanken. Ich
empfinde eine tiefe Freunschaft für ihn. 18 Jahre lang war ich unter ihm Generalvikar
von Paris, 1988 wurde ich zum Weihbischof. 1999 dann Erzbischof von Tours. Jetzt dreht
es sich für mich darum, Paris wiederzuentdecken, das sich natürlich verändert hat,
seit ich die Stadt verlassen hat. Eine Kirche, genau wie eine Stadt, ist kein Monument
unter der Käseglocke. Ich muss also sehen, wie es steht mit den christlichen Gemeinden
von Paris."
Kardinal Jean-Marie Lustiger galt als die schillerndste Figur der katholischen Kirche
in Frankreich. Der charismatische Kirchenmann stammt aus jüdischer Familie und konvertierte
mit 14 Jahren. Lustiger, der wegen einer Erkrankung nahezu die Stimme verloren hat,
war unter den ersten Kardinälen, die Papst Johannes Paul II. zu Beginn seines Pontifikats
ernannte. Fast ein Vierteljahrhundert stand er an der Spitze eines der wichtigsten
Bistümer der Welt.
Der französische Premierminister Jean-Pierre Raffarin würdigte Lustiger als hoch geschätzten
Gesprächspartner, der sich im Dialog mit den staatlichen Institutionen mit seiner
Geradlinigkeit und seinem intellektuellen Anspruchs besonders hervorgetan habe.
(afp / rv 11.02.05 gs)