Acht Millionen Iraker haben gestern an den Wahlen teilgenommen - für viele Beobachter
ein ermutigendes Zeichen. Aber Kirchenleute warnen vor zuviel Euphorie. "Einerseits
kann man zufrieden sein, weil wir Demokratie und Freiheit näherkommen", sagt der chaldäische
Weihbischof von Bagdad, Shlemon Warduni, im Gespräch mit Radio Vatikan. "Andererseits
aber ist es beunruhigend, dass nicht die ganze irakische Bevölkerung an den Wahlen
teilgenommen hat. Das ist also kein Zeichen der Einheit des irakischen Volkes - wir
werden weiter Schwierigkeiten haben." Vor allem in sunnitischen Gegenden war die
Wahlbeteiligung äußerst niedrig. Im Westen aber ist man beeindruckt von den Fernsehbildern
der verschleierten Frauen, die für die Stimmabgabe Schlange standen. "In großer Zahl
und trotz großen Risikos haben Iraker ihren Wunsch nach Demokratie gezeigt", so US-Präsident
George Bush. "Durch seine Teilnahme an freien Wahlen hat das irakische Volk die anti-demokratische
Ideologie der Terroristen klar abgelehnt." "Christen und Moslems - wir sind alle
wählen gegangen wie ein einziges Volk", sagt der Bagdader Patriarch Emmanuel Delly
gegenüber der Nachrichtenagentur asia-news. "Wie" ein einziges Volk - das Wörtchen
"Wie" zeigt das Problem. Der italienische Nuntius des Papstes im Irak hat in seiner
letzten Wortmeldung - kurz vor dem Urnengang - lapidar gesagt, Wahlen seien kein Zaubermittel.
Sie könnten sicher nicht die irakische Wirklichkeit von heute oder morgen ändern. "Was
die Regierung in den nächsten Tagen tut, entscheidet über die Zukunft des Irak", glaubt
der US-Demokrat John Kerry, der jetzt nach mehr Einbindung der Iraker und der internationalen
Gemeinschaft ruft. "Das ist die letzte Chance für den Präsidenten, es doch noch richtig
zu machen." (ag 31.01.05 sk)