Kurienkardinal Walter Kasper hat liberale Auslegungen des Christentums und Gleichgültigkeit
von Katholiken gegenüber Grundpositionen ihres Bekenntnisses kritisiert. Bei der ökumenischen
Vesper in der römischen Basilika Sankt Paul vor den Mauern zum Abschluss der Gebetswoche
für die Einheit der Christen sagte Kasper, die Ökumene drohe in einen Zustand der
Lethargie abzugleiten und ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren.
„Auf der einen Seite gibt es Anzeichen für Rückzug und Widerstand, auf der anderen
Anzeichen für Resignation und Frustration. In einer solchen Lage können wir nicht
nach der Devise „Business as usual“ fortfahren.
Es fehle nicht an Vorschlägen, die Methoden, Strukturen oder Ziele der Ökumene zu
überdenken, so der Präsident des päpstlichen Einheitsrates weiter. Diese Vorschläge
seien teils vernünftig und relevant, dennoch sollten die Überlegungen von den Fundamenten
ausgehen.
„Der Glaube an Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, ist das Fundament der
Taufe, die aus uns Christen macht. Das Bekenntnis zu Jesus Christus als einzigem Erlöser
der gesamten Menschheit ist die fundamentale Übereinstimmung, der kleinste gemeinsame
Nenner, von all jenen, die an der Ökumene teilnehmen.“
Kasper kritisierte in diesem Zusammenhang im ökumenischen Denken
„so genannte liberale Interpretationen, die sich progressiv geben, aber in Wahrheit
subversiv sind. Gerade heute, wenn in der postmodernen Gesellschaft alles relativ
und beliebig wird und jeder sich seine eigene Religion „à la carte“ schafft, brauchen
wir ein solides Fundament und einen verlässlichen Bezugspunkt für unsere ökumenische
Arbeit.“
Als Weg für die Zukunft der Ökumene empfahl Kasper die Rückbesinnung auf die Heilige
Schrift.
„Aufgrund der Bibel haben wir uns voneinander getrennt, und aufgrund der Bibel müssen
wir uns wieder vereinigen. Die beste Ökumene besteht im Lesen und im Leben des Evangeliums.“
An der ökumenischen Vesper in Sankt Paul vor den Mauern nahmen Vertreter mehrerer
christlicher Kirchen und Gemeinschaften teil, darunter Orthodoxe, Lutheraner und Anglikaner.
(rv 26.1.05 gs)