Papst Johannes Paul II. wird morgen die bislang größte Delegation von Rabbinern aus
aller Welt in Audienz empfangen. Anlass der Visite ist der vierzigste Jahrestag der
Verabschiedung der Konzilserklärung Nostra Aetate, die den Dialog zwischen Juden und
Katholiken offiziell einläutete. Die Rabbiner repräsentieren die unterschiedlichen
Strömungen des Judentums und wollen dem Papst für seine Bemühungen um Versöhung zwischen
den beiden Glaubensgemeinschaften danken. In Italien, Österreich und Polen begeht
die Kirche heute den Tag des jüdisch-christlichen Dialogs. Dabei müssen dem in der
italienischen Bischofskonferenz für Kontakte zum Judentum zuständigen Bischof Vincenzo
Paglia, Gemeinsamkeiten nicht erst geschaffen, sondern nur wiederentdeckt werden.
"Zu unseren gemeinsamen Wurzeln zurückkehren bedeutet, ehrlich die untrennbare Beziehung
zwischen Juden und Christen betrachten. Beide sind Wächter der gleichen Schriften
des Alten Testaments. Jesus selbst fühlt sich als Jude. Er hat uns gelehrt, den Abrahams,
Isaaks und Jakobs Gott Vater zu nennen und in ihm einen Gott zu sehen, der sich in
die Geschichte der Menschen einmischt. Diese Tradition der Vaterschaft Gottes, eines
Vaters, der sich rühren lässt, ist unser großes Erbe, das Jesus als erster erlebt
hat, bis er selbst zum Bild des Barmherzigen wurde. Damit entsteht das Bewusstsein
für den Wert des menschlichen Lebens aus dem jüdisch-christlichen Monotheismus."
Die morgige Begegnung zwischen dem Papst und den Rabbinern wird die zahlenmäßig größte
sein; noch nie zuvor waren so viele jüdische Geistliche mit dem Papst zusammen getroffen.
In den Jahrzehnten des jüdisch-christlichen Dialogs hat es zahlreiche Begegnungen
gegeben; meist geht es um theologische Themen, aber Politik und Geschichte lassen
sich nie ganz ausklammern, erklärt Pater Norbert Hofmann, Mitarbeiter der Kommission
für den Dialog mit dem Judentum. Besonders gilt das natürlich für den Holocaust::
"Das war und ist ein wichtiges Thema. Es gab 1998 ein Dokument unserer Kommission
für die religiösen Beziehungen zum Judentum, das heißt: ,Wir erinnern'. Dort geht
es um die katholische Sicht der Shoa. Anfang der 90er Jahre, ja schon Mitte der 80er
Jahre, drängte das Judentum darauf, dass sich die katholische Kirche mit dem Judentum
auseinander setzen sollte. Die Frucht dieser Auseinandersetzung ist das Dokument von
1998. Die Shoa, der Holocaust ist ein Pfeiler jüdischer Identität geworden, insofern
können wir die Shoa nie aus dem Dialog ausblenden."
(rv 17. 1. 05 bg/lw)