Das lang erwartete Treffen des deutschen Chef-Protestanten, Bischof Wolfgang Huber,
mit deutschen Islam-Vertretern ist gestern nachmittag in Berlin endlich zustande gekommen.
Vorausgegangen waren Wochen des Hickhacks und der Mißverständnisse. Nach der Begegnung
klang die Bilanz der Teilnehmer dagegen sehr positiv. „Ich glaube, wir haben heute
ein Zeichen setzen können und ich hoffe, ich glaube wir haben einen neuen Impuls gegeben...In
erster Linie wünschen wir uns als Islamrat einen vertauensvollen Dialog.“ Ali Kizilkaya,
Vorsitzender des Islamrates in Deutschland, wertet die erste Begegnung zwischen muslimischen
Spitzenvertretern und dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland,
Bischof Wolfgang Huber, als vollen Erfolg. Zwar habe es im Vorfeld einige Unstimmigkeiten
gegeben. Doch diese seien nun im direkten Gespräch ausgeräumt. Gemeinsam habe man
sich gegen jede Gewalt und Terror und für die Grundlagen der Demokratie ausgesprochen.
Und auch Bischof Huber war nach fast 2 Stunden Gedankenaustausch des Lobes voll. Nun
wolle man recht bald die Sachdiskussion miteinander führen: „Daß gemeinsame Überlegungen
zum Religionsunterricht und zu den Möglichkeiten des islamischen Religionsunterrichtes
erstes Thema für solche Fachgespräche sein könnten...wie es zur Ausbildung von Imamen
in Deutschland in deutscher Sprache kommen könnte, was ein Beitrag zur Integration
wäre.“ Nach über einem Jahr Gesprächsstillstand hat man auf Spitzenebene offensichtlich
eine Arbeitsbasis gefunden. Die Bildungs- und damit Integrationsfrage solle bei den
evangelisch-muslimischen Spitzengesprächen zunächst im Vordergrund stehen. Die evangelische
Kirche will aber weiterhin auch einen „tabulosen Dialog“ führen. So wurde etwa die
Menschrechtslage christlicher Minderheiten in muslimischen Mehrheitsgesellschaften
wie etwa in der Türkei angesprochen. Natürlich müsse auch die Geschlechterfrage behandelt
werden, meint Hamideh Mohagheghi. Als einzige Frau nahm die Redakteurin der islamischen
Frauenzeitschrift HUDA am Spitzentreffen teil. So sei die Diskriminierung von Homosexuellen
in vielen muslimischen Familien weiterhin ein großes Problem. Auch das Selbstbestimmungsrecht
der Frauen müsse mit auf die künftige Gesprächsagenda. Andererseits sollten kirchliche
Kritiker dabei aber wahrnehmen, dass muslimische Frauen in Deutschland immer mehr
Selbstbewusstsein erlangten, ob mit oder ohne Kopftuch: „Was für mich irritierend
ist, dass die positiven Beispiele unter muslimischen Frauen, die eigenständig arbeiten,
eigene Meinung haben, dass das weniger in den Medien kommt, sondern nur die negativen
Beispiele.“ Insofern freut sich die progressive Muslimin schon auf das nächste
Treffen mit Bischof Huber. Denn wichtig sei es, bei einem christlich-muslimischen
Dialog nicht nur die konservativen Kräfte des Islam zu Wort kommen zu lassen. (thomas
klatt, berlin, für rv 12.01.05 sk)