Vatikan: Papst-Botschaft zum Welttag der geistlichen Berufe
"Zum Hinausfahren berufen" - diesen Titel trägt eine Botschaft des Papstes, die der
Vatikan am 8. Januar veröffentlicht hat. Sie gilt dem 42. Weltgebetstag um geistliche
Berufungen, der am kommenden 17. April gefeiert wird. Hier ist der volle Text der
Botschaft.
Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern
auf der ganzen Welt! 1. "Duc in altum!" Zu Beginn des Apostolischen Schreibens
Novo millennio ineunte habe ich an die Worte erinnert, mit denen Jesus die ersten
Jünger auffordert, ihre Netze zu einem Fischfang auszuwerfen, der sich als äußerst
ergiebig erweisen wird. Er sagt zu Petrus: "Duc in altum" (Lk 5,4). "Petrus und die
ersten Gefährten vertrauten dem Wort Christi und warfen ihre Netze aus" (Novo millennio
ineunte, 1). Diese bekannte Begebenheit aus dem Evangelium bildet den Hintergrund
des kommenden Weltgebetstages für geistliche Berufungen, der unter dem Leitwort steht:
"Zum Hinausfahren berufen." Er ist eine bevorzugte Gelegenheit, über die Berufung
nachzudenken, Jesus zu folgen und Ihm insbesondere auf dem Weg des Priestertums und
des geweihten Lebens nachzufolgen. 2. "Duc in altum!" Diese Weisung Christi ist
besonders aktuell in unserer Zeit, in der sich eine gewisse Mentalität ausbreitet,
welche die persönliche Teilnahmslosigkeit angesichts auftretender Schwierigkeiten
fördert. Die erste Bedingung für das "Hinausfahren" besteht darin, einen tiefen Geist
des Gebets zu pflegen, der durch das tägliche Hören des Wortes Gottes genährt wird.
Die Wahrhaftigkeit des christlichen Lebens läßt sich an der Tiefe des Gebetes messen,
einer Kunst, die wir demütig "von den Lippen des göttlichen Meisters" selbst ablesen
müssen, wobei wir Ihn gleichsam wie die ersten Jünger bitten sollen: 'Herr, lehre
uns beten.' (Lk 11,1). Im Gebet entwickelt sich jener Dialog mit Christus, der uns
zu seinen engsten Vertrauten macht: Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch (Joh 15,4)"
(Novo millennio ineunte, 32). Diese Verbindung mit Christus im Gebet läßt uns seine
Gegenwart auch in den Augenblicken vermeintlichen Scheiterns erkennen, wenn alle Mühen
unnütz erscheinen. Dies ist den Aposteln selbst widerfahren, als sie nach einer arbeitsreichen
Nacht ausriefen: "Meister, wir haben […] nichts gefangen" (Lk 5,5). Besonders in diesen
Momenten müssen wir das Herz dem Strom der Gnade öffnen und dem Wort Christi gestatten,
uns mit aller Kraft zu durchdringen: "Duc in altum!" (vgl. Novo millennio ineunte,
38). 3. Wer sein Herz für Christus öffnet, wird nicht nur das Geheimnis seines
eigenen Daseins verstehen, sondern auch das seiner eigenen Berufung, und er wird wunderbare
Früchte der Gnade heranreifen lassen. Die erste unter ihnen ist das Wachsen in der
Heiligkeit auf einem geistlichen Weg, der mit dem Geschenk der Taufe beginnt und bis
zur völligen Entfaltung der vollkommenen Liebe führt (vgl. ebd., 30). Wenn der Christ
das Evangelium ohne Abstriche lebt, wird er immer mehr dazu fähig, wie Christus selbst
zu lieben und seine Mahnung zu beherzigen: "Ihr sollt also vollkommen sein, wie es
auch euer himmlischer Vater ist" (Mt 5,48). Er strebt danach, innerhalb der Gemeinschaft
der Kirche mit den Brüdern in Einheit verbunden zu bleiben und stellt sich in den
Dienst an der Neuevangelisierung, um die großartige Wahrheit der heilbringenden Liebe
Gottes zu verkünden und zu bezeugen. 4. Liebe Heranwachsende und Jugendliche, vor
allem Euch gegenüber möchte ich die Einladung Christi wiederholen, "hinauszufahren".
Ihr befindet Euch in Situationen, in denen Ihr wichtige Entscheidungen für Eure Zukunft
zu treffen habt. In meinem Herzen bewahre ich die zahlreichen Gelegenheiten, bei denen
ich in den vergangenen Jahren jungen Menschen begegnet bin, die heute erwachsen sind
und vielleicht Eltern von einigen unter Euch – oder Priester, Ordensmänner und -frauen,
Eure Erzieher im Glauben. Ich habe sie fröhlich gesehen, wie junge Menschen es sein
sollen, aber auch nachdenklich, da sie vom Wunsch beseelt sind, ihrem Leben einen
umfassenden "Sinn" zu geben. Immer tiefer habe ich erkannt, daß im Denken der neuen
Generationen das Streben nach geistigen Werten stark ausgeprägt und ihre Sehnsucht
nach Heiligkeit sehr aufrichtig ist. Die jungen Menschen brauchen Christus, aber sie
wissen auch, daß Christus nicht ohne sie auskommen wollte. Liebe junge Männer und
Frauen! Vertraut Ihm, hört auf seine Lehren, richtet Euren Blick auf sein Antlitz,
hört beharrlich sein Wort. Laßt zu, daß er all Eurem Suchen und Sehnen, all Euren
Idealen und Herzenswünschen Orientierung gibt. 5. Nun wende ich mich an Euch, liebe
Eltern und christliche Erzieher, sowie an Euch, liebe Priester, Personen des geweihten
Lebens und Katecheten. Gott hat Euch die besondere Aufgabe übertragen, die Jugendlichen
auf dem Weg der Heiligkeit zu führen. Seid ihnen Vorbilder großherziger Treue zu Christus.
Ermutigt sie, ohne zu Zögern "hinauszufahren" und spontan auf die Einladung des Herrn
zu antworten. Einige beruft er zum Familienleben, andere zum geweihten Leben oder
zum priesterlichen Dienst. Helft ihnen, ihren Weg zu erkennen und zu echten Freunden
Christi und zu seinen wahren Jüngern zu werden. Wenn vom Glauben erfüllte Erwachsene
durch ihr Wort und Beispiel das Antlitz Christi sichtbar machen, fällt es den Jugendlichen
leichter, die anspruchsvolle, vom Geheimnis des Kreuzes geprägte Botschaft anzunehmen. Vergeßt
zudem nicht, daß auch heute großer Bedarf an heiligmäßigen Priestern besteht, an Seelen,
die ganz dem Dienst an Gott geweiht sind. Daher möchte ich erneut hervorheben: "Es
ist dringend notwendig, eine breitangelegte und engmaschige Berufungspastoral zu schaffen.
Sie muß die Pfarreien, Bildungszentren und Familien erreichen und ein aufmerksameres
Nachdenken über die wesentlichen Werte des Lebens wecken. Diese finden ihre entscheidende
Zusammenschau in der Antwort, die jeder auf den Ruf Gottes geben soll. Dies gilt besonders
dann, wenn die Antwort es erfordert, sich selbst ganz hinzugeben und die eigenen Energien
für das Reich Gottes einzusetzen" (Novo millennio ineunte, 46). Vor Euch Jugendlichen
wiederhole ich die Worte Jesu: "Duc in altum!" Wenn ich von neuem auf diese seine
Aufforderung hinweise, so denke ich zugleich an die Worte, die Maria, seine Mutter,
in Kana in Galiläa an die Diener richtete: "Was er euch sagt, das tut!" (Joh 2,5).
Christus, liebe Jugendliche, bittet Euch "hinauszufahren", und die Jungfrau Maria
ermutigt Euch, Ihm ohne Zögern nachzufolgen. 6. Unterstützt von der mütterlichen
Fürsprache der Gottesmutter, steige aus allen Teilen der Erde unser inniges Gebet
zum himmlischen Vater auf, auf daß Er "Arbeiter für seine Ernte" (Mt 9,38) aussende.
Er möge allen Gliedern seiner Herde eifrige und heilige Priester schenken. Getragen
von diesem Bewußtsein, wenden wir uns an Christus, den Hohenpriester, und sprechen
zu Ihm mit neuer Zuversicht: Jesus, Sohn Gottes, in dem die Fülle der Gottheit
wohnt, Du berufst alle Getauften, "hinauszufahren" und den Weg der Heiligkeit
zu gehen. Erwecke in den Herzen der jungen Menschen die Sehnsucht, in der Welt
von heute Zeugen der Macht Deiner Liebe zu sein. Erfülle sie mit Deinem Geist der
Stärke und Besonnenheit, damit sie fähig werden, die volle Wahrheit über sich selbst
und ihre Berufung zu entdecken. Unser Erlöser, vom Vater gesandt, seine barmherzige
Liebe zu offenbaren, schenke Deiner Kirche junge Menschen, die bereit sind, "hinauszufahren" und
für ihre Brüder zum Zeichen Deiner erneuernden und heilbringenden Gegenwart zu
werden. Heilige Jungfrau, Mutter des Erlösers, sichere Führerin auf dem Weg
zu Gott und dem Nächsten, Du hast seine Worte im Innersten Deines Herzens bewahrt. Stehe
mit Deiner mütterlichen Fürsprache den Familien und kirchlichen Gemeinschaften
zur Seite, damit sie den Heranwachsenden und Jugendlichen dabei helfen, großherzig
auf den Ruf des Herrn zu antworten. Amen. Aus Castelgandolfo, 11. August 2004