2005-01-11 14:05:12

Vatikan: Kardinal Kasper warnt vor ökumenischem Rückschritt


Der Präsident des vatikanischen Einheitsrates, Kardinal Walter Kasper, kritisiert ein Papier der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD). In dem Papier geht es um "Allgemeines Priestertum, Ordination und Beauftragung nach evangelischem Verständnis". Hier die Stellungnahme von Kardinal Kasper im Wortlaut.

"Die VELKD hat ein Papier über "Allgemeines Priestertum, Ordination und Beauftragung nach evangelischem Verständnis" veröffentlicht, das mit einer Empfehlung der Lutherischen Bischofskonferenz versehen allen Gliedkirchen der VELKD und darüber hinaus der EKD als Ausgangsbasis für ein gemeinsames Ordinationsverständnis zur Stellungnahme bis zum 1. März zugesandt wurde.

Das Papier geht aus von konkreten Fragen, die sich in ähnlicher Weise auch in der katholischen Kirche Deutschlands stellen. Es fragt, wie es angesichts großer gesellschaftlicher und kirchlicher Veränderungen mit dem kirchlichen Amt konkret weitergehen soll. Statt jedoch aufgrund der gemeinsamen Herausforderung gemeinsame Lösungen wenigstens anzustreben, geht dieses Paier hinter wichtige Annäherungen zurück, die in den letzten vierzig Jahren im ökumenischen Gespräch zwischen Lutheranern und Katholiken auf Weltebene erreicht worden sind.

Ich nenne den Malta-Bericht von 1972, das Dokument über das geistliche Amt von 1981, Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament von 1984, Lehrverurteilungen kirchentrennend? von 1986, Kirche und Rechtfertigung von 1994. Bedeutsame Dokumente aus dem katholisch-lutherischen Dialog in den Vereinigten Staaten könnten hinzugefügt werden. Es ist richtig, alle diese Dokumente brachten keinen Konsens; aber sie brachten wichtige Annäherungen; sie bauten Brücken, die nun wieder niedergerissen werden.

Während die grundlegende lutherische Bekenntnisschrift, das Augsburger Bekenntnis (1530), die Kontinuität mit der katholischen Tradition zu wahren versuchte, versteht das vorliegende Papier die reformatorische Position als einen Neuanfang gegenüber der gesamtchristlichen Tradition, in der nicht nur die katholische Kirche, sondern auch die orthodoxen Kirchen und die anglikanische Gemeinschaft stehen.

Ich beschränke mich auf zwei Punkte, die mir besonders aufgefallen sind:

1. In dem Papier ist - abweichend vom Zeugnis der Hl. Schrift - mit keinem Wort vom einmaligen Apostelamt als Fundament der Kirche und von der bleibenden apostolischen Struktur und apostolischen Autorität in der Kirche die Rede. So bestreitet das Papier ausdrücklich, was in allen genannten Dokumenten als eine Art Grundkonsens formuliert wurde, dass das Amt sowohl in der Gemeinde steht wie der Gemeinde auch "vollmächtig" gegenüber steht. Nach diesem Papier handelt das ordinierte Amt im Namen der Gemeinde, nicht aber im Namen Jesu Christi.

2. In dem Papier ist - ebenfalls abweichend von der Hl. Schrift wie von den genannten ökumenischen Dokumenten - nicht davon die Rede, dass die Ordination unter Handauflegung und Gebet Zuspruch des Hl. Geistes ist. Diese gemeinsame ökumenische Aussage war eine Absage an ein rein funktionales Amtsverständnis und eine Annäherung an das sakramentale Verständnis der Ordination. Dies scheint in diesem Papier aufgegeben zu sein, und darin ist begründet, daß der Unterschied zwischen Ordination und Beauftragung zu Diensten wie Kantor, Küster, Lektor, Religionslehrer - vorsichtig ausgedrückt, relativiert, in den praktischen Konsequenzen aufgegeben ist.

Man fragt sich, wie man eucharistische Gastfreundschaft fordern kann, wenn man gleichzeitig alte Gräben neu aufreißt, gegen alle neueren Einsichten die katholische Messopferlehre - wie es in dem Papier ebenfalls geschieht - verzeichnet und eine ökumenisch unehrliche Praxis der Abendmahlsfeier durch Nicht-ordinierte theologisch zu legitimieren versucht.

Ich hoffe, daß das Sondervotum der Vorsitzenden des Theologischen Ausschusses der VELKD noch zu denken gibt. Denn dieses Votum deckt überzeugend die innere Widersprüchlichkeit des Papiers auf, das die gesamtchristliche Tradition aufgibt, das auch innerhalb der evangelischen Theologie umstritten ist, das sich im Weltluthertum isoliert und das keineswegs das Ordinationsverständnis aller lutherischen Pfarrer wiedergibt. Das Papier spaltet nicht nur Katholiken und Lutheraner, Lutheraner und Anglikaner; es spaltet auch die lutherische Kirchengemeinschaft selbst. Es führt keinen Schritt weiter. Es stimmt einfach traurig.

Kardinal Walter Kasper, Rom"

Gegenüber Radio Vatikan hat Kardinal Kasper seine Stellungnahme am Dienstag kurz erläutert. Dabei sagte er wörtlich: "Ich nehme an, dass Reaktionen darauf kommen - das wollen wir ja auch. Aber wir wollen eben, dass man im Dialog die bisherigen Dialog-Ergebnisse aufgreift; das ist das Entscheidende. Im übrigen haben wir zu dieser Frage gegenwärtig auf der internationalen Ebene einen Dialog, nämlich über die Apostolizität der Kirche. Wir hoffen, dass dieses Papier noch in diesem Jahr abgeschlossen werden kann, und soweit ich bisher sehen kann, werden da doch einige Akzente anders gesetzt als in dem vorliegenden Papier."

(rv 11.01.05 sk)










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