2005-01-09 16:46:10

Dossier: Frieden im Süd-Sudan


In Afrika ist der längste Bürgerkrieg zu Ende gegangen: der zwischen Nord- und Südsudan. Nach 21 Jahren Kampf und über zweieinhalb Millionen Toten kam es an diesem Sonntag zu einer großen Unterzeichnungsfeier in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. „Vor allem diese Unterzeichnung ist ein sehr wichtiges Ereignis“, sagt der Bischof von Rumbek im Süd-Sudan, Cesare Mazzolari. „Da haben 17 Staaten und auch US-Außenminister Colin Powell teilgenommen und mitunterschrieben – sowas schafft einen Rahmen, da kann sich keine Seite jetzt gleich erlauben, die Erwartungen wieder zu enttäuschen.“
„Ein historisches Ereignis“, sagt der Afrika-Kenner Pater Giulio Albanese, der lange die Nachrichtenagentur misna geleitet hat. „Das wird am Horn von Afrika, einer der blutigsten Regionen Afrikas, eine gewisse Normalisierung möglich machen. Es war die Entscheidung des sudanesischen Regimes, die Sharia aufs ganze Land auszudehnen, die 1983 zum Ausbruch des Krieges geführt hat. Aber andererseits waren Erdöl-Interessen von Anfang an mit im Spiel, und paradoxerweise haben sie jetzt zur Einigung beigetragen. Es ist kein Geheimnis, dass Washington in den letzten Jahren beiden Konfliktparteien viel Geld zugesteckt hat, um eine Einigung zu beschleunigen. Und die Einigung über den Gewinn aus der Erdölförderung ist deshalb das Kernstück in diesem Friedensvertrag.“
Was den Konflikt aber so lang und zäh und blutig machte, ist, dass er genau an einer Bruchlinie stattfand: Araber gegen Schwarzafrikaner, Moslems gegen Christen oder Anhänger von Naturreligionen, Nord gegen Süd.
„Sowohl Regierung wie Rebellen haben Verbrechen gegen schutzlose Zivilisten begangen“, meint Pater Albanese. „Außer der Kirche hat sich kaum einer um die Leute gekümmert oder mal den Respekt der Menschenrechte eingeklagt. Beim Friedensvertrag geht es jetzt um eine Machtteilung zwischen zwei alten Feinden – das könnte allerdings auch das schwierige innerliche Gleichgewicht des Sudan erschüttern.“
Beispiel: Darfur. Der Konflikt in dieser West-Provinz des Sudan war ausgebrochen, während Nord und Süd erstmals so richtig ins Gespräch kamen. Darfur ist nicht Gegenstand des jetzigen Friedensabkommens, sein Bürgerkrieg schwelt weiter. Die Konfliktparteien haben Ende letzten Jahres bei einer Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrats in Nairobi nämlich den Eindruck gewonnen, dass die internationale Gemeinschaft trotz starker Worte nicht sonderlich am Darfur-Konflikt interessiert ist.
„Wir können eben nur einen Schritt auf einmal machen“, seufzt Bischof Mazzolari. „Darfur war ein Konflikt, der den ganzen Südsudan treffen sollte. Jetzt, wo man sich um einen Frieden im Süden bemüht, kann man vielleicht auch die Darfur-Frage lösen.“
„John Garang, der Führer der süd-sudanesischen Rebellen, hat versprochen, jetzt auch den Darfur-Konflikt in kurzer Zeit zu lösen“, sagt Pater Albanese. „Garanz ist immerhin bald sudanesischer Vize-Präsident. Wenn man auf halb-offizielle Quellen der Rebellengruppe SPLA hört, dann sollen in den letzten zwei Jahren Männer von Garang direkt an der Krise im West-Sudan beteiligt gewesen sein. Ihre Absicht wäre es demnach gewesen, auf die Regierung in Khartum einen militärischen Druck auszuüben. Da muß man jetzt einfach mal abwarten, wie sich dieses beunruhigende Szenario von Darfur weiter entwickelt – vor allem aus humanitärer Sicht.“
Abwarten auch mal, ob die Abkommen für den Südsudan von diesem Sonntag lange halten. Nach ihrem Wortlaut müssten jetzt die regierende Partei „National Congress“ und die Rebellengruppe SPLA eine Koalitionsregierung bilden. Weitere Kernpunkte: Dezentralisierungt der Macht, Teilung des Gewinns aus der Erdölförderung, Zusammenlegung der Armeen zu einer einzigen. Nach sechs Jahren Frist kann der Südsudan per Referendum über seine Unabhängigkeit entscheiden.
„Das Schwierigste werden die nächsten sechs Monate sein“, sagt Bischof Mazzolari voraus. „In dieser Frist sollen Nord und Süd ihre Verfassungen vorbereiten, damit sie autonom regiert werden können. Diese sechs Monate könnten durchaus wieder in einen neuen Konflikt münden. Die Erwartungen sind groß, aber noch ist alles offen.“
Große Erwartungen hat der Bischof auch an die USA, die immerhin diesen Frieden wie auch immer maßgeblich gezimmert haben. „Sie könnten uns materiell helfen und technische Hilfe zum Wiederaufbau leisten. Vielleicht auch Menschen schicken, die eine Infrastruktur für das Gesundheitswesen aufbauen. Oder Lehrer, Ärzte und Krankenpfleger ausbilden. Wenigstens ein paar Monate, besser noch ein paar Jahre lang.“

Stefan Kempis, Radio Vatikan







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