2005-01-02 15:21:53

Vatikan: Lajolo, Türkei soll Religionsfreiheit selbst beweisen


Im Gespräch mit Radio Vatikan nimmt der vatikanische "Außenminister" dazu Stellung, welcher Kontinent und welches Land ihm zur Zeit die größten Sorgen bereiten.

Einige Länder in Afrika. Im Zentrum der Aufmerksamkeit des Heiligen Stuhls
steht ebenso immer das Heilige Land. Des weiteren beschäftigen uns mehrere
Länder, vor allem in Asien, in denen die Religionsfreiheit nicht genügend
geachtet wird. In der Mitte unserer Sorge stehen aber in diesen Tagen jene
Länder - vor allem Sri Lanka und Indonesien - die von dem furchtbaren
Seebeben verwüstet worden sind und so viele Opfer und Obdachlosen beklagen.

* Trotz vieler Signale in Richtung Volksrepublik China ist dieses Land auf
der Landkarte des Vatikans noch immer ein weißer Fleck. Wo sehen Sie hier
einen Ansatz zur Normalisierung?

Eine positive Wende in den Beziehungen zur Volksrepublik China kann nur
durch einen offenen Dialog bewerkstelligt werden, der auch den Wegfall von
Vorteilen bewirkt. Die volle und unbehinderte Einheit der chinesischen
Katholiken mit dem Papst und die Freiheit im Bekenntnis ihres Glaubens
würden diese keinesfalls daran hindern, gute Bürger ihres Landes zu sein:
ganz im Gegenteil, im Besitz der Freiheit könnten sie in noch besserer Weise
in der Gesellschaft wirken. Das beweist u.a. das Beispiel Deutschlands und
aller anderen freien Länder.

* Der Vatikan sieht mit großer Aufmerksamkeit auf die Außenpolitik der USA.
Nicht immer sind sich Rom und Washington, vor allem was den Irak und die
Nah-Ostpolitik betrifft, einig. Erwartet sich der Heilige Stuhl
Kurskorrekturen von Seiten der amerikanischen Regierung?

In der jetztigen Lage scheint mir, dass die Ansichten des Heiligen Stuhls
und der Vereinigten Staaten sich wohl nicht so sehr von denen anderer
Regierungen unterscheiden: Dem Irak soll geholfen werden, sobald wie möglich
innerlich befriedet zu sein, so daß der irakischen Bevölkerung neue Leiden
erspart bleiben und sie ihre Zukunft nach demokratischen Regeln selbst in
die Hand nehman kann. Eine große Sorge des Heiligen Stuhls betrifft vor
allem die kleine christliche Minderheit, deren Wurzeln im Irak älter sind
als die der islamischen Bevölkerungsmehrheit. Die Christen fühlen sich jetzt
in ihrer Existenz bedroht und Tausende von ihnen suchen eine Zukunft im
Ausland. - Was das Heilige Land betrifft, gibt es Anzeichen für Möglichkeit
eines Neubeginns im Verhältnis der israelischen Regierung und den
palästinensischen Behörden. Eine Situation des Friedens würde auch den
christlichen Institutionen und der kleinen christlichen Minderheiten, die
auch im Heiligen Land bestimmt keinen leichten Stand haben, zugute kommen.

* Der Papst hat wiederholt von einem 'Europa vom Atlantik bis zum Ural'
gesprochen. Gehören auch die Ukraine und die Türkei zu dieser Vision?

Die Ukraine ohne Zweifel. Abgesehen von ihrem wirtschaftlichen Potential und
ihrer strategischen Lage ist der kulturelle Beitrag, den sie dem
europäischen Gefüge geben kann, von noch größerer Bedeutung. - Ob die Türkei
zu Europa gehört? Das soll die Türkei selbst beweisen, indem sie sich die
Grundwerte der Europäischen Union zu eigen macht, vor allem, was die
Bedeutung der Grundrechte des Menschen, insbesondere die Religionsfreiheit,
im tatsächlichen Leben der Gesellschaft betrifft.


* Innerkirchlich betrachtet waren zur Jahrtausendwende - in der Zeit als Sie
der Vertreter des Heiligen Stuhls in Deutschland waren - vermutlich die
Debatte um den straffreien Schwangerschaftsabbruch und das Dokument
'Dominuns Jesus' die heißesten Eisen zwischen Rom und Berlin. Kein Zweifel,
dass Sie als Vertreter des Papstes eine schwierige Position einnehmen
mußten. Wie sehen Sie das heute im Rückblick?

Zum System der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen möchte ich zuerst
sagen, dass alle in der katholischen Kirche den Müttern in Schwierigkeiten
zu einer positiven Entscheidung zugunsten des Kindes helfen wollten. Man hat
lange gerungen, um eine gemeinsame Lösung der geeigneten Mittel zu finden,
die das Zeugnis der Kirche zugunsten des Lebens nicht verdunkeln würde. Der
Versuch - er war schwierig und durchlitten - ist nicht gelungen. Man muss
mindestens anerkennen, dass die deutschen Bischöfe das Problem erkannt haben
und sich äußerst engagiert um eine Lösung bemüht haben. Das kann man nicht
von allen sagen. - Die erschwerte Annahme von 'Dominuns Jesus' ist der
besonderen ökumenischen Empfindlichkeit einiger Katholiken zuzuschreiben,
die sich vom katholischen Ökumeneverständnis wegbewegt haben. 'Dominus
Jesus' hat einige unabdingbare Grundwahrheiten des katholischen Glaubens
wieder in Erinnerung gerufen. Dass dies, wie manchmal angemerkt wird, in
einer ökumenischeren Sprache hätte geschehen können, darf man zugeben. Ist
aber letzten Endes nicht entscheidend.
Das Interview führte Aldo Parmeggiani.








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