Im Vatikan sieht man einen gewissen Laizismus in der Politik des Westens immer mehr
als Problem. Dass es in der EU-Verfassung nicht einmal zu einem Hinweis auf die christlichen
Wurzeln des Kontinents gereicht hat, nennt Vatikan-Kardinal Joseph Ratzinger einen
Fall von - so wörtlich - «laizistischer Ideologie». Der polnischen katholischen Nachrichtenagentur
sagte Ratzinger: «Wir haben es hier mit laizistischer Ideologie zu tun, wegen der
die Geschichte nicht das aktuelle Gewissen erreichen darf.» Die christlichen Wurzeln
Europas seien aber ein «schlicht nicht zu leugnendes historisches Faktum». Gerade
die christlichen Wurzeln hätten die Möglichkeiten des Pluralismus eröffnet, wie er
sich etwa in Weltanschauungen, die vom Koran inspiriert seien, nicht entwickelt habe,
so der Kardinal. Gerade deshalb wäre es wichtig gewesen, diese christliche Inspiration
festzuhalten, aus der heraus «jener Freiheitsraum" gewachsen sei, den man heute Europa
nenne. Offenbar wolle man die Religion auf die Privatsphäre des einzelnen begrenzen,
beklagte der Präfekt der vatikanischen Glaubens-Kongregation. - Was er nicht sagte:
Im Vatikan ist man heilfroh, dass nicht der belgische Regierungschef Verhoefstaedt
neuer Chef der EU-Kommission wurde. In ihm sehen viele im Vatikan einen wichtigen
Vertreter dieses ideologischen Laizismus, vermuten in ihm sogar einen Freimaurer.
Als Laizisten gelten auch der Franzose Chirac und - abgeschwächt - der Spanier Zapatero.
Dass der Italiener Berlusconi auf dem jüngsten EU-Gipfel laut die fehlende Debatte
über einen Gottesbezug beklagt hat, nimmt der Vatikan aufmerksam zur Kenntnis. Allerdings
sieht er auch: Richtig in die Bresche geworfen hat sich in Brüssel niemand, um das
Thema wenigstens noch mal auf die Tagesordnung der EU-Großen zu setzen. (sk kna/rv
22.6.)