Der vatikanische Außenminister, Erzbischof Giovanni Lajolo, warnt vor Europa-Müdigkeit.
In einem Interview mit der italienischen katholischen Zeitung "Avvenire" schlägt er
vor, die EU solle sich klare Ziele setzen, die die Staaten nur gemeinsam erreichen
könnten. Dann werde den Europäern wieder klarer werden, wozu die EU gut sei. Die Politiker,
vor allem das EU-Parlament, sollten gemeinsame EU-Ziele im sozialen, kulturellen und
politischen Bereich definieren. Und die EU sollte sich außerdem bemühen, ihre grundlegenden
Prinzipien, darunter die Solidarität, wieder deutlicher durchscheinen zu lassen. Zwei
konkrete Vorschläge vom Vatikan-Mann fürs Äußere, wie sich der kleine Mann wieder
mehr für die große EU erwärmen könnte. Was das Nicht-Erwähnen der christlichen Wurzeln
Europas in der Verfassung betrifft, da ist auch Lajolo bitter. "Dem haben sich doch
nur ein paar Staaten kategorisch verschlossen", bemerkt er. "Und es tut weh, wenn
man dann sieht, dass es gerade die Länder sind, in denen das Christentum eine große
Rolle für ihre Geschichte und ihre Kultur gespielt hat." Der Erzbischof wörtlich:
"Warum diese Opposition?" Seine Antwort: aus "ideologischem Vorurteil" heraus. Daß
ein Christentums-Bezug die EU für den möglichen Beitrittskandidaten Türkei weniger
attraktiv machen könnte, kann sich Lajolo nicht vorstellen. Ansonsten sagt er mit
Blick auf die Weltlage: "Die UNO bleibt auf Weltebene die entscheidende politische
Institution" in Sachen Krieg und Frieden. Er hoffe, dass die Reform der UNO-Strukturen
vorankommt, dass eine entsprechende Kommission von Kofi Annan bald ihre Vorschläge
macht. Vom internationalen Terrorismus glaubt Erzbischof Lajolo, dass dieser den "Clash
der Kulturen" herbeiführen wolle; auf einen "so widersinnigen Kampf" dürften sich
die Religionen nicht einlassen. (sk avvenire 23.6.)