Der Seligsprechungsprozess für den letzten österreichischen Kaiser Karl I. geht langsam
voran – auch wenn breite Schichten von Gläubigen Unbehagen empfinden angesichts eines
selig gesprochenen Herrschers, der in einen Krieg verwickelt war – den 1. Weltkrieg
in diesem Fall. Um Bedenken wie diese auszuräumen, zunächst auf wissenschaftlicher
Ebene, hat in Wien ein dreitägiges Historikersymposion über Karl I. stattgefunden,
das heute zu Ende gegangen ist. Mit dabei die Historikerin Elisabeth Kovacs, Autorin
der ersten wissenschaftlichen Biografie Karls, die in Kürze erscheinen wird. Ob grundsätzlich
ein Herrscher ein vorbildlicher Christ sein kann, auch wenn er einen Krieg führte,
hängt ihr zufolge von der Haltung der Kirche zum Krieg ab – und DIE habe sich geändert.
OT
1: Die Kirche hat bis nach dem 2. Weltkrieg den Krieg nicht ganz verurteilt. Sie hat
ihn als gerechten Krieg bezeichnet, wenn er in Verteidigung und Notwehr geführt worden
ist. Erst nach der Atombombe hat sich die Einstellung der Kirche zum Krieg geändert
– und da sind jetzt die strengen Kriegsverbote und Kriegsverurteilungen.
Das
europäische Herrschertum lebte bis nach der Wende zum 20. Jahrhundert im Bewusstsein
eines Gottesgnadentums, so Kovacs. Das heißt, sie waren der Ansicht, dass sie ihre
Macht von Gott erhalten und daher auch vor Gott zu verantworten hätten.
OT
4: Das was Karl meiner Meinung nach zum Seligen qualifiziert, ist, dass er dafür alles,
alles alles eingesetzt und geopfert hat. Er hat für diese Verbindung zwischen Herrscher
und Volk, das die Historiker „mariage mystique“ nennen, also mystische Heirat, als
unauflöslich betrachtet, und dafür alles eingesetzt: Finanzen, Macht, Leben, Möglichkeiten
für die Dynastie. Er hat sich geopfert im christlichen Sinn, in der Nachfolge des
Kreuzes, um die Völker wieder zusammen zu bringen.
Elisabeth Kovacs ist Mitglied
der Historikerkommission, die sich mit den Unterlagen für die Seligsprechung Karls
beschäftigt.